LADA
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LADA ist die medizinische Abkürzung für eine besondere Form des Diabetes mellitus. Der Ausdruck LADA bedeutet latent autoimmune diabetes in adults, also übersetzt: verborgener, autoimmun bedingter Diabetes bei Erwachsenen.
In Deutschland werden ca. 95% aller Diabetiker, als Typ 2 Diabetiker diagnostiziert. Etwa 5% aller Patienten sind von einem Typ 1 Diabetes betroffen. In der Masse der Typ 2 Diabetiker verbergen sich etwa ein Zehntel Diabetiker, die an einem autoimmun verursachten Insulinmangeldiabetes, also einem verzögert auftretenden Typ 1 Diabetes leiden, dem so genannten LADA Diabetes.[1]
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Klassifikation
Der LADA ist eine 1977 zum ersten Mal beschriebene Kategorie des Diabetes mellitus, die dem Komplex des autoimmun bedingten Typ 1A-Diabetes zugeordnet wird, da bei den Patienten gegen Inselzellen gerichtete Antikörper und/oder Antikörper gegen Insulin nachgewiesen werden können.[2]
Die Erkrankung kann sich zu jedem Zeitpunkt im Erwachsenenalter entwickeln. Jüngere Erwachsene in der dritten und vierten Lebensdekade weisen höhere Erkrankungsraten auf, als ältere Menschen.
[Bearbeiten] Leitlinien zu LADA Diabetes
Weder die Amerikanische, die Deutsche Diabetes-Gesellschaft, noch die Internationale Diabetesföderation haben Leitlinien für LADA Diabetes entwickelt. Bezüglich der Therapieziele und der Therapie werden keine besonderen Empfehlungen ausgesprochen. Es gelten die allgemeinen Prinzipien einer guten Diabetestherapie.
[Bearbeiten] Pathophysiologie
Die Pathophysiologie des LADA ist komplex. Es müssen genetische, autoimmunbedingte und klinische Einflüsse unterschieden werden.
[Bearbeiten] Genetik
Die genauen Ursachen für die Entstehung des LADA sind nicht geklärt. Wie beim Typ 1 Diabetes vermutet man, dass eine bislang unbekannte Ursache (Erkrankung, Viren, Umweltgifte) den Startschuss für den allmählichen Untergang der insulinproduzierenden Inselzellen gibt. Im Unterschied zum Typ 1-Diabetes dauert der Prozess von Beginn bis zur endgültigen Zerstörung der Inselzellen und damit das Erkennen mit klassischen Diagnosemethoden beim LADA erheblich länger.
[Bearbeiten] Antikörper
Es werden beim LADA vor allem vier Arten von Antikörpern nachgewiesen.
- Zytoplasmatische Antikörper direkt gegen die Inselzellen = Inselzellen-Antikörper (ICA)
- Antikörper gegen das Enzym Glutaminsäure-Decarboxylase-Antikörper (GADA)
- Antikörper gegen das Enzym Tyrosinphosphatase IA-2 (IA-2)
- Antikörper gegen Insulin selbst = Insulin-Autoantikörper (IAA)
Diese Antikörper als Ausdruck der überschießenden Immunreaktion können allein oder in Kombination vorkommen. In der UKPDS Studie wurden 3672 Personen untersucht, die von den Ärzten als „typische“ Patienten mit Typ-2-Diabetes eingestuft wurden. 6% hatten ICA, 10% GADA und 4% wiesen beide Inselantikörper auf.[3]
Mit zunehmendem Alter nahm sowohl der Anteil der Patienten mit Antikörpern, als auch der Anteil von Patienten mit der Kombination von ICA und GADA deutlich ab.
Zu diesem Bild passte, dass phänotypisch (i.e. aufgrund klinischer Parameter) ältere LADA Patienten ähnlicher Typ 2 Diabetikern und junge LADA Patienten ähnlicher Typ 1 Diabetikern waren.
[Bearbeiten] HLA Status
Schon in den 1980er Jahren zeigte sich, dass das Auftreten von Typ 1 Diabetes eng mit den Histokompatibilitätskomplexen HLA DR3 und HLA DR4 verknüpft war. Es zeigen sich bei der Mehrheit der LADA Patienten die gleichen Risikoallele wie beim Typ 1 Diabetes (e.g. HLA-DRB1* und HLA-DQB1*). Auch bezüglich anderer Parameter der zellulären Immunität und des Zytokinprofils (e.g. Interleukin 4a, Interferon-γ) scheinen keine Unterschiede zwischen Typ 1 Diabetes und LADA zu bestehen.[4]
Es existiert keine genetische Diagnosemöglichkeit, da sich die die Ausprägung der diabetesassoziierten Gene mit dem Alter ändern kann.
[Bearbeiten] Familienanamnese
Der Typ 2 Diabetes besitzt eine stärkere genetische Assoziation als der Typ 1 Diabetes. Selbst bei eineiigen Zwillingen liegt die Wahrscheinlichkeit für Typ 1 Diabetes bei beiden Zwillingen nur im Bereich 30 – 40%. In Familien mit Typ 2 Diabetes kommt es jedoch zu einer Häufung von Diabetesfällen.[5]
LADA Patienten weisen die gleichen Antikörper, wie Typ 1 Diabetiker auf. Dennoch wurden für Patienten mit diagnostiziertem LADA Diabetes in der Familienanamnese nicht häufiger Diabetes berichtet. Jedoch weisen Eltern von Typ 1 Diabetikern, die Typ 2 Diabetes entwickelten, vermehrt Antikörper im Blut auf. Sie wären demnach als LADA Diabetiker einzustufen.
Zusammenfassend verhält sich der LADA Diabetes in der Familienanamnese ähnlich dem Typ 1 Diabetes.
[Bearbeiten] Begleiterkrankungen
Wie bei den meisten Autoimmunkrankheiten treten auch beim LADA andere immunologisch vermittelte Erkrankungen vermehrt auf. Grundsätzlich ist eine Vielzahl von Autoimmunreaktionen an Haut (e.g. Vitiligo), inneren Organen (Morbus Addison, perniziöse Anämie, Morbus Basedow) und Magen-Darmtrakt nachgewiesen. Häufig sind:
- Schilddrüsen Antikörper wie bei einer Hashimoto-Thyreoiditis
- Anti-Gliadin Antikörper wie bei einer Weizenunverträglichkeit
Nur ein Teil dieser Patienten zeigt jedoch klinische Symptome.
[Bearbeiten] Diagnose des LADA Diabetes
Vor der Diagnose des LADA steht die Diagnose des Typ 2 Diabetes an sich. Erst im Verlauf der Erkrankung führen dann weitere Hinweise zur Diagnose LADA. Anamnestische und phänotypische Merkmale, die für einen LADA Diabetes sprechen sind:[6]
- Junges Alter bei Typ 2 Diabetes Diagnose (<50 Jahre)
- Schlank bzw. niedriger BMI (<25 kg/m²)
- Akute Symptome wie Polyurie, Polydipsie oder Ketonurie bei Diagnose
- Anzeichen von weiteren Autoimmunreaktionen beim Patienten
- Familienanamnese von Autoimmunreaktionen
- Gutes Ansprechen auf Insulin
- Schlechtes Ansprechen von Sulfonylharnstoffen (besser Metformin)
- Rascher Wirkverlust von oralen Antidiabetika
- Niedrige C-Peptid- und Insulinspiegel im Blut
Beweisend für LADA ist der Nachweis von Antikörpern im Serum (GADA und ICA) oder im Kapillarblut (IAA).[7] Vor allem bestimmt man:
- Antikörper gegen das Enzym Glutamatdecarboxylase (GADA Unterformen: gad65, gad67)
- Inselzellen-Antikörper (ICA)
Insulin-Autoantikörper (IAA) sollten nur bei Patienten bestimmt werden, die noch nicht mit Insulin behandelt wurden, da diese Antikörper als Immunantwort auf die Insulintherapie gebildet werden und dadurch einen LADA vortäuschen können. Die Bestimmung von IA-2 Antikörper ist nicht so sensitiv, wie die Bestimmung von GADA und sollte nur bei fortgesetzter Unklarheit nach den anderen Antikörpertests durchgeführt werden .
Die Diagnose LADA kann nur in der Kombination anamnestischer und klinischer Befunde zusammen mit Antikörpertests getroffen werden.
Die alleinige Bestimmung von Antikörpern kann in die Irre führen:
- GADA werden auch bei anderen autoimmunen Endokrinopathien (e.g. Schilddrüsenerkrankungen, Morbus Addison ) und regelmäßig bei neurologischen Erkrankungen gefunden.
- Der Nachweis von Antikörpern muss nicht mit Krankheitssymptomen einhergehen.
[Bearbeiten] Differenzialdiagnostik
Hinter einem vermuteten Fall von LADA kann sich auch ein Fall von MODY Diabetes verstecken. Bei Familien mit einer Häufung von Diabetes in Verwandten ersten Grades sollte man auch an MODY denken. Für MODY Diabetes sprechen:
- Familiäre Häufung von Diabetes in der Familie (MODY-2: autosomal dominante Vererbung)
- Bei Diagnose nicht insulinpflichtiger Diabetes
- Diagnose vor dem 25. Lebensjahr
[Bearbeiten] Andere Bezeichnungen für LADA
Je ausgeprägter die Immunreaktion, desto instabiler zeigt sich insgesamt der LADA im klinischen Alltag. Daher gibt es Autoren, die den LADA Diabetes gerne in einen LADA Typus1 und in einen LADA Typus 2 einteilen möchten.[8] Dies hat sich aber bis heute nicht durchgesetzt. Auch die Bezeichnung Typ 1,5 Diabetes, die ursprünglich anzeigen sollte, dass LADA Patienten bezüglich ihres klinischen Verlaufs zwischen Typ1 und Typ 2 Diabetikern stehen, hat sich nicht durchgesetzt und sollte auch nicht verwendet werden.
[Bearbeiten] Prävalenz
Insgesamt ist die Prävalenz des LADA Diabetes mangels populationsbezogener Screeningprogramme nicht genau bekannt und muss geschätzt werden. Regionale Häufungen und genetische Unterschiede zwischen den Rassen, wie sie für Typ1 Diabetes vorkommen, werden auch für LADA beschrieben. Asiaten zeigen relativ zu Kaukasiern häufiger Antikörper. Bei Eskimos ist LADA offensichtlich sehr selten.[9]
Tabelle 1: Altersabhängige Prävalenz von LADA in der UKPDS 25 Studie. Jüngere Erwachsene in der dritten und vierten Lebensdekade weisen höhere Erkrankungsraten auf, als ältere Menschen.[3]
Altersgruppe | LADA Prävalenz |
25 bis 34 Jahre | 34% |
35 bis 44 Jahre | 14% |
45 bis 54 Jahre | 9% |
55 bis 64 Jahre | 7% |
Frauen neigen insgesamt häufiger zu Autoimmunerkrankungen als Männer, dennoch konnte für LADA keine Geschlechtsdifferenz gefunden werden. Bezogen auf alle Typ 2 Diabetiker rechnet man in Deutschland mit etwa 10% (5% bis15%) LADA Patienten unter den diagnostizierten Typ 2 Diabetikern. Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft nennt eine Schätzzahl von 500.000 LADA Diabetikern in Deutschland.[1]
[Bearbeiten] Natürlicher Verlauf und Prognose
Der LADA Diabetes hat eine Zwischenstellung zwischen Typ 1 und Typ 2 Diabetes. Zum einen kann der autoimmune Zerstörungsprozess zum vollständigen Erliegen der körpereigenen Insulinproduktion führen, was für einen schweren Krankheitsverlauf spricht. Zum anderen ist dieser Prozess aber bei der Mehrheit der Patienten erheblich verzögert, was den Schwergrad wieder abmildert. Die Diabeteserkrankung wird daher meist in einem Stadium diagnostiziert, in dem der gestörte Glukosestoffwechsel noch durch orale Antidiabetika und sogar durch Diät reguliert werden kann. Durch die beschriebene Pathophysiologie des LADA, versagt dann bei vielen Patienten die konservative (orale) Therapie und es sollte eine Insulintherapie begonnen werden.
[Bearbeiten] Therapie des LADA
Die Therapie richtet sich nach der Höhe des Blutzuckers und den weiteren Therapiezielen etwa bezüglich Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen und unterscheidet sich nicht von der Therapie anderer Diabetesformen. Die Problemstellung bei der Therapie des LADA ist die Tatsache, dass der Patient bis zur Diagnosestellung als Typ 2 Diabetiker geführt wurde.
Als orale Antidiabetika sollte man aus theoretischen Erwägungen das β-Zellen schonende Metformin einem Sulfonylharnstoff oder einem Glinid vorziehen.
[Bearbeiten] Frühzeitige Insulinisierung
Zumindest bei der Diagnose eines LADA sollte man den Patienten informieren und darauf einstellen, dass mittelfristig eine Umstellung der Diabetestherapie auf Insulin erwartet wird. Auch wenn longitudinale Studiendaten für LADA fehlen, kann eine frühzeitige Insulinisierung zu einer Verzögerung des Untergangs der β-Zellen in der Bauchspeicheldrüse führen.[10][11]
Für den Typ 1 Diabetes ist dies klar belegt und in der klinischen Therapie, als sogenannte „Honeymoon-Periode“ erfahrbar: Viele Patienten erleben nach der initialen Insulinverschreibung eine Zeit der stabilen Stoffwechseleinstellung gepaart mit einem niedrigen oder moderaten Insulinbedarf. Diese Zeit des günstigen Stoffwechselverlaufs, kann auch bei LADA Patienten gut genutzt werden, um die Patienten auf die Selbsttherapie des Diabetes mellitus vorzubereiten. Die Patienten können dann wertvolle Erfahrungen bezüglich der Selbstmessung und des Abstimmens von Lebenswandel und Selbsttherapie mit Insulin sammeln sowie gründlich geschult werden.
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ a b Giani G, Janka HU, Hauner H, Standl E, Schiel R, Neu A et al. Epidemiologie des Diabetes mellitus in Deutschland. Evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft Aktualisierung der 1. Auflage vom Juli 2001, 1-12. 2004.
- ↑ American Diabetes Association. Clinical Practice Recommendations 2005. Diabetes Care. 2005 Jan;28 Suppl 1:S1-79.
- ↑ a b Turner R, Stratton I, Horton V, Manley S, Zimmet P, Mackay IR et al. UKPDS 25: autoantibodies to islet-cell cytoplasm and glutamic acid decarboxylase for prediction of insulin requirement in type 2 diabetes. UK Prospective Diabetes Study Group. Lancet 1997; 350(9087):1288-1293.
- ↑ Horton V, Stratton I, Bottazzo GF, Shattock M, Mackay I, Zimmet P et al. Genetic heterogeneity of autoimmune diabetes: age of presentation in adults is influenced by HLA DRB1 and DQB1 genotypes (UKPDS 43). UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group. Diabetologia 1999; 42(5):608-616.
- ↑ Kerner W, Brückel J, Böhm BO. Definition, Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus. Evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft Aktualisierung der 1. Auflage vom Juli 2001, 1-11. 2004.
- ↑ Fourlanos S, Perry C, Stein MS, Stankovich J, Harrison LC, Colman PG. A clinical screening tool identifies autoimmune diabetes in adults. Diabetes Care 2006; 29(5):970-975.
- ↑ Martinka E, Ocenasova A, Strakova J, Mokan M. [Latent autoimmune (Type-1) diabetes mellitus in adults. Part. I. Serologic markers of autoimmune involvement of pancreatic beta-cells: GADA, ICA, IA-2 a IA-A]. Vnitr Lek 1999; 45(2):97-102.
- ↑ Schernthaner G, Hink S, Kopp HP, Muzyka B, Streit G, Kroiss A. Progress in the characterization of slowly progressive autoimmune diabetes in adult patients (LADA or type 1.5 diabetes). Exp Clin Endocrinol Diabetes 2001; 109 Suppl 2:S94-108.
- ↑ Mohatt J, Gilliam LK, Bekris L, Ebbesson S, Lernmark A. Type 1 diabetes-related autoantibodies are rare in Alaska native populations. Int J Circumpolar Health 2002; 61(1):21-31.
- ↑ Pozzilli P, Di Mario U. Autoimmune diabetes not requiring insulin at diagnosis (latent autoimmune diabetes of the adult): definition, characterization, and potential prevention. Diabetes Care. 2001 Aug;24(8):1460-7
- ↑ Rosário PW, Reis JS, Fagundes TA, Calsolari MR, Amim R, Silva SC, Purisch S. Latent autoimmune diabetes in adults (LADA): usefulness of anti-GAD antibody titers and benefit of early insulinization. Arq Bras Endocrinol Metabol. 2007 Feb;51(1):52-8
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