Hydrazin
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Strukturformel | ||||||||
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Allgemeines | ||||||||
Name | Hydrazin | |||||||
Andere Namen |
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Summenformel | N2H4 | |||||||
CAS-Nummer | 302-01-2 | |||||||
PubChem | 9321 | |||||||
Kurzbeschreibung | farblose, klare Flüssigkeit [1] | |||||||
Eigenschaften | ||||||||
Molare Masse | 32,05 g·mol−1 | |||||||
Aggregatzustand | flüssig | |||||||
Dichte |
1,01 g·cm−3 (20 °C) [1] |
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Schmelzpunkt |
1,5 °C [1] |
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Siedepunkt |
113,5 °C [1] |
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Dampfdruck | ||||||||
Löslichkeit |
mischbar mit Wasser [1], gut in Alkohol |
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Sicherheitshinweise | ||||||||
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MAK |
Nicht eingestuft, da cancerogen im Tierversuch [1] |
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WGK | 3 [1] | |||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. |
Hydrazin ist eine Stickstoffverbindung mit der Summenformel N2H4. Es ist eine farblose, ölige, ammoniakalisch riechende Flüssigkeit. Hydrazin ist giftig, im Tierversuch krebserzeugend und wirkt hochtoxisch auf Wasserorganismen. Hydrazin wird auch über die Haut resorbiert. Es verbrennt mit einer kaum sichtbaren Flamme. In den Handel kommt es meist als wässrige Lösung oder als Monohydrat, jedoch ist auch ein wasserfreies 98%iges Produkt erhältlich.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Gewinnung und Darstellung
Technisch gibt es mehrere Wege zur Synthese von Hydrazin:
- Raschig-Synthese Einwirkenlassen von konzentrierter Ammoniaklösung oder gasförmigem Ammoniak (NH3) auf Natriumhypochlorit.
- Ammoniaklösung und Hypochloritionen reagieren zu Chloramin und Hydroxidionen.
- Bei hohem Druck und bei einer Temperatur von 400K wird Ammoniakgas eingeleitet und es erfolgt die Weiterreaktion zu Hydrazin.
- Das technisch verstärkt angewandte Verfahren besteht in der Oxidation von Ammoniak mit Wasserstoffperoxid (H2O2) in Gegenwart von Butanon (Mol-Verhältnis: 4:2:1 / Temperatur: 50 °C / Katalysatoren: Acetamid, Dinatriumhydrogenphosphat).
- Ammoniak und Wasserstoffperoxid reagieren zu Hydrazin und Wasser.
Die ansonsten bestehende Problematik der Weiteroxidation von entstandenem Hydrazin zu Stickstoff und Wasser wird vermieden, da Hydrazin mit Butanon ein entsprechendes Ketazin bildet, welches im Vergleich zu Ammoniak nur schwer oxidiert wird.
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- Hydrazin und Butanon reagieren zu Wasser und Ketazin.
Das erhaltene Ketazin kann durch Hydrolyse leicht wieder in Hydrazin und Butanon überführt werden.
- Im Labor durch Einleiten von Chlor in eine 20%ige Harnstofflösung und anschließender Zugabe von 20%iger Natronlauge. Die Ausbeute liegt bei etwa 50%.
Der mechanistische Ablauf ist derselbe, wie der des Hofmann-Abbaus: Zuerst Bildung des Amidations durch Deprotonierung, dann elektrophile Halogenierung des Amidations, gefolgt von der zweiten Deprotonierung. Das Chloramidation zerfällt spontan zum Acylnitren und einem Chloridion. Das Acylnitren lagert sich zum Isocyanat um, welches unter Addition von Wasser die unbeständige Carbamidsäure liefert, die dann zu Kohlendioxid und Hydrazin zerfällt. Das entstandene Kohlendioxid wird unter Bildung von Natriumcarbonat von der Natronlauge aufgenommen.
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- Harnstoff, Chlor und Natriumhydroxidlösung reagieren zu Hydrazin, Natriumcarbonat und Natriumchlorid.
[Bearbeiten] Eigenschaften
Hydrazin weist eine dynamische Viskosität von 0,9·10-3 Pa·s auf.
Reines Hydrazin kann beim Erhitzen explosionsartig zu Ammoniak und Stickstoff disproportionieren.
Konzentrierte Lösungen sind in Verbindung mit anderen Oxidationsmitteln hochexplosiv, teilweise hypergol. Hydrazin kann außerdem katalytisch zersetzt werden, und erzeugt dabei heißes Gas.
Hydrazin hat eine Technische Richtkonzentration von 0,13 mg·m−3.
[Bearbeiten] Verwendung
[Bearbeiten] Brennstoff
Aufgrund seiner hochreaktiven Eigenschaften verwendet man Hydrazin vor allem als Raketentreibstoff, der mit den Oxidatoren Distickstofftetroxid oder Salpetersäure eine hypergole Treibstoffkombination bildet. Auch allein wird Hydrazin in Korrekturtriebwerken verwendet, wo es katalytisch zersetzt wird.
Hydrazin wird als lagerfähiger Treibstoff in vielen Satelliten und Raumsonden verwendet. Dies kann zu einer erheblichen Umweltgefahr führen, wenn ein Raketenstart misslingt. Hat ein Satellit bereits eine Umlaufbahn erreicht, ist es aufgrund der hohen Geschwindigkeit von mindestens acht Kilometer pro Sekunde und der ungünstigen aerodynamischen Verhältnisse bei den kugelförmigen Tanks praktisch ausgeschlossen, dass diese auf dem Erdboden aufschlagen.
Vielmehr verglühen die Tanks samt Treibstoff schon in hohen Luftschichten unmittelbar nach dem Wiedereintritt in die Atmosphäre. Bei diesen Temperaturen zersetzt sich Hydrazin von selbst. Auch bei der Challenger-Katastrophe wurde keine Hydrazin-Kontamination festgestellt. Nach einer erfolgreichen Shuttle-Landung ist hingegen eine der ersten Sicherheitsmaßnahmen, den zur Ruhe gekommenen Orbiter auf austretende giftige Raketentreibstoffe wie Hydrazin zu untersuchen. Erst, wenn dieser Test Entwarnung gibt, dürfen sich weitere Hilfsfahrzeuge, etwa zur Kühlung, dem Shuttle nähern.
Hydrazin wird ebenfalls in Luftfahrzeugen wie der F-16 als Brennstoff für ein Notenergieaggregat mitgeführt.[3]
Des Weiteren dient Hydrazin zur elektrochemischen Stromerzeugung in Sekundärzellen oder in alkalischen Brennstoffzellen vor allem in der Raumfahrt, U-Booten und anderer Militärtechnik.
[Bearbeiten] Reduktionsmittel / Korrosionsinhibitor
Verdünnte Hydrazin-Lösungen werden auch als Reagenzien im Labor, sowie zur Deoxigenierung (Befreiung von Sauerstoff) von Kesselspeisewasser in Dampfkraftwerken eingesetzt. Die Verwendung erfolgt sowohl für die Entfernung des Restsauerstoffes nach Speisewasserentgaser, des Schutzes gegen mögliche geringe Sauerstoffeinbrüche im Bereich des Kondensators, wie auch für die katalytische Sauerstoffentfernung des Zusatzwassers. Der Vorteil von Hydrazin ist, dass nur Stickstoff und Wasser bei dieser Reaktion entstehen.[4]
In der chemischen Synthese wird Hydrazin vor allem als starkes Nukleophil (sogenannter alpha-Effekt) und als Reduktionsmittel (Entstehen von Stickstoff, vgl. Wolff-Kishner-Reaktion) verwendet.
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g h Eintrag zu CAS-Nr. 302-01-2 in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 21. Februar 2008 (JavaScript erforderlich)
- ↑ Eintrag zu CAS-Nr. 302-01-2 im European chemical Substances Information System ESIS
- ↑ General Flugsicherheit in der Bundeswehr (Hrsg.): Hilfe bei Flugunfällen (Auflage 2004, PDF 2,8 MB). Auflage 2005: S. 10.
- ↑ K. Hancke, S. Wilhelm: Wasseraufbereitung: Chemie und chemische Verfahrenstechnik. Spinger, 2003, S. 249. ISBN 3-540-06848-1
[Bearbeiten] Derivate
- 1,1-Dimethylhydrazin (UDMH)
- Monomethylhydrazin (MMH)
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Sicherheitsdatenblätter
- von SIRI gespeicherte MSDS: