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Geschlechtergeschichte – Wikipedia

Geschlechtergeschichte

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Geschlechtergeschichte befasst sich mit der historischen Ausprägung und Veränderlichkeit von Weiblichkeit, Männlichkeit und des Verhältnisses der Geschlechter zueinander. Dabei geht es insbesondere um die Frage, wie kulturelle Geschlechterrollen das Denken und Handeln von Menschen geprägt haben.

Somit befasst sich die Geschlechtergeschichte prinzipiell mit allen Teilbereichen der Geschichtswissenschaft und ist nicht über einen Gegenstandsbereich definiert (wie z. B. die Geschichte des Militärs, des Sports, der Arbeiterbewegung). Sie stellt stattdessen eher eine spezifische Herangehensweise dar, in der der Kategorie „Geschlecht“ eine zentrale Rolle zukommt.

Ausgehend von einer Frauen- und Geschlechtergeschichte, die die männlich dominierte Geschichtsschreibung um einen weiblichen Blickwinkel erweitert hat, hat sich dabei in den letzten Jahrzehnten auch eine „Männergeschichte“ entwickelt, die versucht, das Verhalten von Männern nicht als „Normalfall“, sondern als geschlechtsspezifisch bedingt zu betrachten.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Die Anfänge seit den 1960er Jahren

Frauen wurden in der Geschichtswissenschaft lange vernachlässigt. Nur einzelne weibliche Persönlichkeiten galten der Historie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein als erwähnenswert. Die Anfänge einer Frauengeschichte, die Frauen als Handelnde in der Geschichte stärker ins Blickfeld der Geschichtswissenschaft zu rücken versucht, liegen in Deutschland in den 60er Jahren. Zentral für die Diskussion um eine neue Sichtweise in der Geschichte war dabei die Unterscheidung zwischen Sex und Gender, also zwischen dem biologischen und dem kulturellen Geschlecht. Anregungen dafür kamen aus dem Umfeld der Frauenbewegung und den Women's Studies in den USA, also von außerhalb der etablierten Geschichtswissenschaft (vgl. Gender Studies). In den folgenden Jahren lag der Fokus historischer Frauenforschung darauf, „Frauen sichtbar zu machen“ und verschiedenste Sammelbände (bis hin zur groß angelegten Geschichte der Frauen) halfen dabei, die Lücken auf dem Gebiet empirischer Untersuchungen abzubauen.

[Bearbeiten] Neuere Entwicklungen seit ca. 1990

Der Boom der historischen Frauenforschung hatte aber auch eine Kehrseite. Frauengeschichte hatte sich Ende der 80er Jahre zwar als ein Teilgebiet der Geschichtswissenschaft etabliert; statt eines Paradigmenwechsels, der die gesamte Historie betrifft, war aber de facto neben beispielsweise der Sozial-, Wirtschafts- oder Kulturgeschichte ein weiterer Bereich, die Frauengeschichte eben, entstanden. Die Kategorie Geschlecht ist aber für prinzipiell jedes historische Teilgebiet zentral. Eine Diskussion darüber, dass eine zu eng verstandene Frauengeschichte von einer Geschlechtergeschichte, die sowohl Weiblichkeit als auch Männlichkeit untersucht, abgelöst werden müsse, wurde daraufhin von Historikerinnen wie Gisela Bock, Ute Frevert oder Bea Lundt angestoßen. Weitere Anregungen in diese Richtung kamen aus der englischsprachigen masculinity-Forschung (Raewyn Connell). So gibt es inzwischen zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschlechtergeschichte, die auch Männlichkeit(en) untersuchen. Lehrstühle für Geschlechtergeschichte gibt es in Deutschland gegenwärtig an den Universitäten Bielefeld, Bochum und der HU bzw. FU Berlin. Inzwischen sind unter dem Einfluss der Geschlechtergeschichte weitere neue Forschungsrichtungen wie die Neue Politikgeschichte, die versucht die klassische Politikgeschichte mit Hilfe von geschlechter-, sozial- und alltagsgeschichtlichen Ansätzen zu modernisieren, oder die Neue Militärgeschichte als Spielart der Männergeschichte entstanden.

[Bearbeiten] Literatur

  • Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1991
  • Georges Duby u.a. (Hrsg.): Geschichte der Frauen. 5 Bände. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1993–1995
  • Freifrau von Löhneysen, Margit: Ordnung hilffen. Vorreformatorische Geschlechterordnung: Erste Deutsche Bibel und Der Ackermann aus Böhmen. Dissertation, Kassel 2004. (PDF)
  • Judith Klinger, Susanne Thiemann (Hrsg.): Geschlechtervariationen. Gender-Konzepte im Übergang zur Neuzeit. (= Potsdamer Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung, Neue Folge; 1). Universitäts-Verlag Potsdam, Potsdam 2006, ISBN 978-3-937786-86-5 (Volltext)
  • Bea Lundt: Frauen- und Geschlechtergeschichte, in: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Geschichte. Ein Grundkurs. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-55576-X, S. 579–597
  • Jürgen Martschukat, Olaf Stieglitz: Mannigfaltigkei. Perspektiven einer historischen Männlichkeitsforschung. In: Werkstatt Geschichte 29 (2001), S. 4-7
  • Hans Medick, Anne-Charlott Trepp (Hrsg.): Geschlechtergeschichte und Allgemeine Geschichte. Herausforderungen und Perspektiven. Wallstein, Göttingen 1998, ISBN 3-89244-282-7
  • Bryce Traister: Academic Viagra. The Rise of American Masculinity Studies. In: American Quarterly 52, 2 (2000), S. 274–304.
  • Rebekka Habermas: Frauen- und Geschlechtergeschichte, in: Kompass der Geschichtswissenschaft. Ein Handbuch, hg. v. Joachim Eibach und Günther Lottes, Göttingen 2002 (UTB 2271), S. 231–245.
  • Bernd-Ulrich Hergemöller: Masculus et femina. Systematische Grundlinien einer mediävistischen Geschlechtergeschichte, Hamburg 2001 (Hergemöllers historiographische Libelli 1).

[Bearbeiten] Weblinks

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