Zuschauereffekt
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Unter Zuschauereffekt (engl. bystander effect, auch non-helping-bystander effect) oder Genovese-Syndrom versteht man das Phänomen, dass bei einem Unfall oder kriminellen Übergriff Personen, die sich zufällig in der Nähe befinden, lediglich "zuschauen" (engl. bystander "Beistehender"), ohne jedoch einzugreifen oder Hilfe zu leisten. Dabei lässt sich nachweisen, je mehr Personen zuschauen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit das jemand eingreift und aktiv wird.
Der Ausdruck "Genovese-Syndrom" rührt her von der US-Amerikanerin Kitty Genovese in New York City, die in ihrem eigenem Wohnhaus einem Mordanschlag zum Opfer fiel, der sich über mehrere Stunden hinzog und von mind. 38 Personen aus der Nachbarschaft bemerkt und beobachtet worden war, ohne das der jungen Frau jemand zu Hilfe kam. Dieser Fall motivierte zu etlichen sozialpsychologischen Studien über prosozialem Verhalten. Forschungen zu den Gründen unterlassener Hilfeleistung betonen in starkem Maße auch die Bedeutung von Gruppenprozessen und Gruppendynamik.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Theorien zur Ursache
- Die Gefährlichkeit der Situation kann von dem Umstehenden nicht eindeutig eingeschätzt werden: Die Personen vermeiden Hilfeleistung, weil sie befürchten, dass sie sich blamieren, wenn sie in einer Situation eingreifen, die für die betroffene(n) Person(en) nicht bedrohlich ist.
- Bei einer größeren Zahl von Umstehenden wird die Bereitschaft größer, die Situation nicht als Notfall einzuschätzen (Pluralistische Ignoranz). Die anderen Umstehenden sehen offenbar auch keinen Notfall, denn niemand sonst hat bisher eingegriffen.[1]
- Bei einer größeren Zahl von Umstehenden kommt es zu einer Verantwortungsdiffusion: Verantwortungsteilung auf die Zahl der Zuschauer bezogen mit gleichzeitiger Abnahme der Eigenverantwortung. Es wird darauf gewartet, dass eine andere Person eingreift bzw. den ersten Schritt einer Intervention wagt.
- Nach der Reaktanz-Theorie fühlt sich eine um Hilfe gebetene Person bei der Bitte um Hilfe in ihrer freien Entscheidung eingeengt. Eine starke Bedeutung der Hilfe führt zu einem für die Person illegitimen Druck. Ist sich das Individuum solcher Konsequenzen bewusst, so sinkt seine "Reaktanz-Schwelle" und es wird leichter dazu tendieren, Hilfe zu verweigern.
[Bearbeiten] Der 5-Stufen-Prozess
Warum das so ist, untersuchten die Sozialpsychologen Latané und John M. Darley. Sie entwickelten einen Fünf-Stufen-Prozess, den wohl jeder Zeuge durchläuft, bevor er tatsächlich aktiv Hilfe leistet. Auf jeder Stufe stellt sich die Anwesenheit anderer Menschen als hinderlich heraus.
- das sich anbahnende Problem muss bemerkt werden (Angst vor Blamage, Ausreden, Folgen abschätzen)
- der Notfall muss als Notfall eingeschätzt werden (Überreaktion, Fehlinterpretation)
- die Person muss Verantwortung übernehmen (Kompetenz auf andere delegieren)
- die Entscheidung wie man reagiert (Fehlentscheidung verschlimmern die Situation)
- die Durchführung der Hilfe (Folgenschwere Fehler, falsche 1-Hilfe-Technik)
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Robert Cialdini, Influence: The Psychology of Persuasion,New York: William Morrow, 1993, p. 133: ... everyone is likely to see everyone else looking unruffled and failing to act. As a result, and by the principle of social proof, the event will be roundly interpreted as a nonemergency.