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Wanderreiten – Wikipedia

Wanderreiten

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Weltumreiter Manfred Schulze mit seinem Pferd Temujin
Weltumreiter Manfred Schulze mit seinem Pferd Temujin

Als Wanderreiten bezeichnet man mehrtägige Wanderungen zu Pferd. Im Mittelpunkt stehen dabei das Naturerlebnis, die langsame, ursprüngliche und umweltfreundliche Art des Reisens, das bessere Kennenlernen sowohl der Landschaft hinter der Haustür mit ihren kleinen Sehenswürdigkeiten, als auch des Pferdes, mit dem man beim Wanderreiten den ganzen Tag zusammen ist und von dessen Wohlergehen das Ankommen am Ziel entscheidend abhängt.

Übernachtet wird beim Wanderreiten unter freiem Himmel, beim Bauern, in Zelten oder auf Pferdehöfen, die Übernachtungsmöglichkeit für Pferd und Reiter bieten. Das Gepäck wird entweder auf dem Reitpferd in Satteltaschen vor und hinter dem Sattel transportiert oder auf einem mitgeführten Packpferd. Wanderreiten gilt als die älteste Form der Nutzung des Pferdes durch den Menschen. Es setzt ein ausgebildetes, gehorsames und verkehrssicheres Pferd voraus, fördert aber auch dessen Selbständigkeit und erlaubt dem Reiter dadurch die intensivste „Zwiesprache“ mit seinem Reittier. Als Wanderreitpferd eignen sich besonders die naturbelassenen Reitpferderassen (Robustpferde), Kleinpferde und Araber, aber auch Warmblüter und sogar Mulis. Wichtig für das Wanderpferd ist vor allem (neben der mentalen Eignung) ausreichende Tragfähigkeit des Rückens und ein stabiles Fundament, sowie gesunde Beine.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Vorbereitung

Je nach Dauer und Schwierigkeit ist eine entsprechende Vorbereitung von Pferd und Reiter erforderlich. Dazu gehören Konditionstraining des Pferdes, Gewöhnung an jede Art von Straßenverkehr, Schulung des Pferdes zum Überwinden natürlicher Geländehindernissen wie Abhänge, Kletterstellen, Fels und Geröll, schmale Pfade und Engstellen, Gewässer, usw., Karten- und Kompasskunde, Erste Hilfe (auch fürs Pferd). Mehrstündige oder mehrtägige Ritte verlangen vom Reiter eine besonders gute körperliche Kondition und entsprechendes Training. Bei Ritten ab einiger Dauer wird spezielle Ausrüstung benötigt (Sattel, Sattel- und Packtaschen, Wetterschutz, Zelt, Kochgeräte, Notbeschlagszeug usw.). Fähigkeiten und Kenntnisse der Lederreparatur, Pflanzen-, Ernährungs- und Futterkunde, Medizin und Tiermedizin, Hufbeschlag, Sprachen und regionale Kultur, Zollbestimmungen, Versicherung etc. runden das Profil des Wanderreiters ab. Die Übernachtungen werden meist vorgeplant und angemeldet, manchmal wird aber auch aufs „Geratewohl“ losgeritten.

[Bearbeiten] Durchführung

Die typischsten Wanderritte gehen übers Wochenende oder sind Kurzurlaube von sieben bis zehn Tage Dauer, manche reiten auch drei Wochen und länger. Meist wird in kleinen Gruppen (Freundeskreis) oder auch allein geritten. Die meisten Wanderreiter (das ist je nach individuellem Stil sehr verschieden) reiten etwa sechs bis sieben Stunden täglich, zuzüglich Pausen. Die Hauptgangart ist zumeist Schritt, auf dessen Räumigkeit (Gangqualität) Wert gelegt wird. Oft wird dabei, je nach Gelände, ein Gutteil der Strecke das Pferd zwecks Rückenentlastung geführt. Da Wanderreiten eher eine Form von Erlebnisurlaub ist und kein Hochleistungssport stehen die KM-Leistungen nicht im Mittelpunkt. Diese variieren daher sehr nach Kondition, Gelände und sportlicher Zielsetzung. Man kann jedoch sagen dass die Tagesleistung eines eingespielten Teams Reiter-Pferd die eines trainierten Fußwanderers etwa um ein Drittel bis zur Hälfte übertrifft.

[Bearbeiten] Geschichte

Im Mittelalter reisten Vornehme und Wohlhabende zu Pferd ähnlich wie heutige Wanderreiter, im Unterschied zum gemeinen Volk, Mönchen und Studenten, die zu Fuß gingen. Jahrhundertelang waren Reisen zu Pferd nichts besonderes. Selbst Goethe pflegte zu unterschiedlichsten Anlässen lange Strecken im Sattel zurückzulegen – und schrieb: Laßt mich nur auf meinem Sattel gelten!/ Bleibt in euren Hütten, euren Zelten!/ Und ich reite froh in alle Ferne,/ Über meiner Mütze nur die Sterne. Als berühmtester Wanderreiter gilt der Schweizer Aime Tschiffely, der 1925 aus Buenos Aires, Argentinien 10.000 Meilen nach Washington DC, USA, ritt und über den alle Zeitungen berichteten. In den Zeiten, da die Massenmotorisierung sich durchsetzte, galt dies als Sensation. Und auch heute werden Wanderreiter von Zeitgenossen oft ungläubig angeschaut, dass „so etwas noch möglich ist“.

[Bearbeiten] Sternritte

Beliebt sind auch Wanderreiter-Treffen, bei denen die Reiter einzeln oder in Gruppen von ihrem Wohnort aus losreiten und nach ein paar Tagen oder Wochen zu einem gemeinsamen Fest zusammenkommen, z.B. anlässlich großer Pferdemessen.

[Bearbeiten] Wanderritte mit Troßbegleitung

Anders als in der Vergangenheit sind Pferdetransporter und -hänger heute den meisten Reitern zugänglich. Daher wird häufig zu den Startpunkten des Wanderritts transportiert, oder es werden von einem festen Standort oder Ferienquartier Rundritte unternommen. Diese Variante ist besonders familien- und partnerfreundlich, erlaubt die Mitnahme von mehr Ausrüstung und ist damit komfortorientierter und gibt mehr Sicherheit. Im engeren Sinne des selbständigen Bewältigens der Strecke und des Auf-sich-gestellt-seins von Reiter und Pferd wird es oft nicht mehr als Wanderreiten bezeichnet.

[Bearbeiten] Kommerzielle Wanderritte

Geführte Ritte werden von Wanderrittführern angeboten, größtenteils von Wanderreitstationen aus. Diese stellen zumeist auch ausgebildete Wanderreitpferde und auch die benötigte Ausrüstung. Sattelfestigkeit oder das Absolvieren eines Einführungskurses wird dabei vorausgesetzt. Teilweise ist es auch möglich mit eigenen Pferden teilzunehmen. Diese Ritte variieren in den Inhalten je nach Veranstalter von „all-inclusive Schlemmerritten mit Fünf-Sterne-Hotelübernachtung“ bis hin zu Übernachtungen in der freien Natur. Leistungsumfang, Ausbildungsniveau der Rittführer und der Pferde, Preise und Qualität unterscheiden sich erheblich, weshalb die Rittbeschreibung (Ausschreibung) genau beachtet werden sollte.

Viele Ferienregionen in Deutschland versuchen derzeit, meist mit Unterstützung der Landwirtschaftsverbände, ein Netz solcher Wanderreitstationen aufzubauen.

In den Regionen Oberpfalz,im Sauerland, in der Eifel und in vielen anderen Gegenden wird „Wanderreiten ohne Gepäck“ auf markierten Strecken von Hof zu Hof angeboten. Das Gepäck wird mit dem Auto von Quartier zu Quartier transportiert. Gepäckmitnahme per Auto ist unter Wanderreitern zwar verpönt (Anspruch der umweltfreundlichen Fortbewegung sowie der Unabhängigkeit), wird aber in Maßen unter der Zielsetzung „Schonung des Pferdes“ akzeptiert.

Auch bei einigen auf Reiterferien spezialisierten Reiseveranstaltern kann man verschiedene Formen von Wanderritten buchen.

[Bearbeiten] Ausbildung

In Deutschland bieten drei große Verbände mit unterschiedlicher Ausrichtung Ausbildungsgänge, Prüfungen und Abzeichen vom Geländereiter über den Wanderreiter bis hin zum Wanderrittführer an. Die VFD engagiert sich neben der Ausbildung von Freizeitreitern insbesondere für die Erhaltung von Reitwegen bzw. den freien Zugang zur Natur für Reiter. Ebenfalls an Freizeitreiter gerichtet ist das Angebot des ETCD (Erster Trekking Club Deutschland e. V.) – hier liegt ein Schwerpunkt in der Abhaltung sportlicher Vergleichswettbewerbe für das Wanderreiten. Dritter großer Verband in Deutschland ist die DWA (Deutsche Wanderreiter-Akademie e.V.) mit Sitz in Reckenthal. Unter dem Dach der DWA versammeln sich kommerziell geführte Wanderreitbetriebe und bieten neben den verschiedenen Ausbildungsstufen, angefangen vom Basispass Wanderreiten bis hin zum Wanderrittführer auch mehrwöchige Wanderritte im In- und Ausland an.

Die Anforderungen an den Reiter sind in dieser Disziplin jedoch so breit gestreut dass eine praxisgerechte Ausbildung allein durch Lehrgänge kaum möglich ist. Begleitend dazu sind regelmäßige Wanderritte, die eigenständig geplant und organisiert werden, erforderlich. Der typische Wanderreiter ist dabei als intensiver Praktiker in Sachen Geländereiten immer auch ein Autodidakt. Wenn er in heimischer Umgebung alle interessanten Ziele abgeritten hat, ist das Reiten mehrtägiger Touren in fremder Umgebung die logische Steigerungsform. Für diese Form von Wanderritten benötigt der Wanderreiter ein dazu geeignetes (gesundes, leistungsfähiges) Pferd. Aber auch der Wanderreiter sollte körperlich in der Lage sein, zur Schonung des Partners Pferd auch eine länger steile Passage bergauf oder bergab vor dem Pferd zügig gehen zu können.

[Bearbeiten] Weitreiten: Expedition zu Pferd

Eine besondere Form des Wanderreitens ist das „Weitreiten“. Dieser (relativ neue) Begriff bezeichnet Wanderritte mit mehr als 1.000 Meilen (1.600 Kilometer). Von der Alpenüberquerung bis zur Umrundung des Mittelmeers oder der mehrjährigen Familienreise incl. Geburt eines Babys unterwegs ist alles möglich. Als weitester Ritt der Geschichte gilt der von George und Charlie Beck, Jay Ransom und Raymond Rayne (1912) durch alle unteren 48 Staaten der USA (20.352 Meilen). Der Schweizer Felix Tschifelly ritt vom 23. April 1925 bis zum 29. August 1928 16.000 km von Buenos Aires nach New York [1]. Günter Wamser ließ sich durch diese Pioniertat anregen und startete 1994 zu einem Ritt von Feuerland nach Alaska; 2007 legte er einen Bericht über die ersten 20.000 km bis zur Grenze von Mexiko zu den USA vor [2].


Eine internationale Vereinigung der Weitreiter ist „The Long Riders Guild“ mit Sitz in den USA, ein deutschsprachiges Internetportal wird von der „Weitreitergilde“ betrieben. Österreicher, die sich eine Mitgliedschaft in der „Long Riders Guild“ aufgrund ihrer Leistungen erworben haben sind Evelyn Landerer (Mongolei, Sibirien) sowie Horst Hausleitner und Esther Stein (Afrika). Letzteren gelang es 2003, den afrikanischen Kontinent von Südafrika bis nach Kenia auf den Rücken von zwei Pferden und einem Packpferd ohne technisches Begleitteam zu durchqueren. Für die 5000 Kilometer lange Strecke benötigten sie mehr als elf Monate. Dabei ritten sie durch Südafrika, Botswana, Sambia, Tansania und Kenia.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Brand, Joachim: Wanderreiten. Rittplanung, Ausrüstung, Training. München 1985, ISBN 3-40513-158-8
  • Claus, Robert; Schmidt, Sabine: Handbuch Wanderreiten – im Rhythmus der Pferde. Olms, Hildesheim 2000, ISBN 3-48708-413-9
  • Julie Miller (Text), Gabriele Boiselle (Photos): Wanderreiten. Die schönsten Pferdetrecks de Welt. Christian-Verlag, München 2005, ISBN 3-88472-643-9
  • Poscharnigg, Werner: Das weite Land des Wanderreitens. Trekking-Know-How zum Planen und Losreiten. Lüneburg 2000, ISBN 3-86127-349-7
  • Solinski, Sadko G.: Der Wanderreiter und sein Pferd. Zürich 1974, ISBN 3-27500-574-X
  • Steigle, O. G.: : Handbuch des Gelände- und Wanderreitens. Stuttgart, 2. Aufl. 1988, ISBN 3-44005-421-7
  • Teichner, Tobias; Wolf, André Christian: Konflikte zwischen Fußgängern, Radfahrern und Reitern. Zur Notwendigkeit verkehrsplanerischer Maßnahmen für Freizeit- und Wanderreiter. In: Verkehrszeichen, Zeitschrift für Mobilität und Umwelt, Heft 4/2006, S. 27-30
  • Teichner, Tobias; Wolf, André Christian: Verkehrsplanung für Freizeit- und Wanderreiter. Reitroutenplanung für die Pferderegion Münsterland. In: PlanerIn, Fachzeitschrift für Stadt-, Regional- und Landesplanung, Heft 2/2007, S. 30-32

[Bearbeiten] Weblinks

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Find A Grave, Inc.: Aimé Félix Tschifelly
  2. Günter Wamser: Der Abenteuerreiter


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