Thasitische Peraia
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Der Festlandsbesitz von Thasos von etwa Mitte des 7. Jahrhunderts bis zur Beherrschung durch die Makedonier wurde als die Thasitische Peraia bezeichnet. Vor allem die legendären thrakischen Goldbergwerke im Pangaion-Gebirge, waren Grund für die griechischen Kolonialisten der Insel Thasos, sich am gegenüberliegenden Festland zwischen Strymon und Nestos festzusetzen und die erzreichen südlichen Rhodopen unter ihre Kontrolle zu bringen.
[Bearbeiten] Präkoloniale Bevölkerung
Innerhalb der Zeitspanne 12./11. Jahrhundert v. Chr. waren ethnische Gruppen verschiedenen Ursprungs vom Kaukasus, aus Anatolien und von der Balkanhalbinsel in den nordägäischen Raum vorgedrungen, unter ihnen zahlreiche thrakische Volksstämme. Zwischen dem Evros im Osten und dem Strymon im Westen erwähnt Herodot (I bis VII) im östlichen Küstenbereich die Kikonen, im Küstenbereich der Peraia die Sapierer, im Symvolon die Dersaier, im Mamaras-Tal die Pierer, im hohen Gebirgsland des Pangaion die Satren, die Bessen und Odomanten, westlich und nördlich des Pangaion im Flusstal des unteren Strymon und des Angites die Edoner, weiter nördlich die Paioner und Paiopler, sowie im oberen Strymontal die Bryger. Sie gründeten auf Anhöhen befestigte Siedlungen und Akropolen, was von möglichen Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Urbevölkerung zeugt. Die im Interessenbereich der Thasiten ansässigen thrakischen Stämme waren im Handel, in der Land- und Holzwirtschaft und im Bergbau tätig. Bergwerke und Erzhütten wurden damals möglicherweise bereits seit einigen Jahrhunderten auf verschiedene Erze an den verschiedensten Standorten von den Thrakern betrieben und die gewonnenen Metalle verarbeitet und gehandelt.
[Bearbeiten] Gründungen und Grenzen der Peraia
Die von den Pariern errichtete Peraia entstand vermutlich in zwei Phasen. Die erste fällt mit der Gründung der ersten gesicherten Handelsplätze von Neapolis, Oisyme und wahrscheinlich auch von Galypsos in die Zeit direkt nach der Niederlassung auf Thasos in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr.. Aus Neapolis und Oisyme liegen zahlreiche und bedeutende Funde aus dieser Zeit vor, von der Stadt und der Nekropole von Galypsos gibt es bis heute (1990) noch keinen diesbezüglichen Nachweis. Von keramischen Oberflächenfunden und aus kleinen Grabungen ergab sich, dass in einer zweiten Phase, in der 2. Hälfte des 6. Jahrhundert bis in die 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. im Westen von Neapolis die kleineren befestigten Emporien Apollonia und Antisara (das heutige Kalamitsa), nach Osten hin Nea Karvali und als jüngste thasitische Niederlassung in Thrakien Pistyros, sowie einige weitere anonyme Siedlungen gegründet wurden. Von diesen Stützpunkten ausgehend, wurde das nahe Umland dieser Siedlungen, die jeweilige Chora (χώρα), kolonisiert. Die Küstenregion, vor allem das fruchtbare westliche Nestos-Delta um Pistyros wurde landwirtschaftlich erschlossen. Von Neapolis aus, über den Stena Sapaion, den engen Durchgang zwischen Symvolon und Lekanis, erreichten die Thasiten, die weite fruchtbare Ebene des späteren Philippi zwischen Pangaion und Lekanis. Auch in das Gebiet des heutigen Elefteroupoli scheinen die Thasiten vorgedrungen zu sein. Im äußersten Westen verlief die Grenze der thasitischen Peraia entlang der westlichen Ausläufer des Symvolon bis vor die Mauern von Phrages, einer Ansiedlung der thrakischen Pierer. Als östliche Grenze kann der Fluss Nestos und sein Delta als gesichert angesehen werden, im Norden ergeben sich Zweifel über die von den Kolonisatoren behaupteten Grenzbereiche.
Aufgrund der äußerst feindlich gesinnten thrakischen Bevölkerung, die heftigen Widerstand leistete, wie Archilochos, der persönlich an der ersten Landnahme beteiligt war, berichtet, scheinen es jedoch die Thasiten nicht geschafft zu haben, sich im Mamaras-Tal, zwischen Symvolon und Pangaion, anzusiedeln. Sie waren weder zu Zeiten Herodots (491 – 490 v.Chr.), noch später im 4. Jahrhundert zu schwach, um in das schwer zugängliche und undurchdringliche, hohe Bergland des Pangaion einzudringen und sich dort festzusetzen. Selbst „Xerxes ließ das Pangaion-Gebirge mit seinen Gold- und Silberbergwerken rechts liegen, das von Pierern und Otomantern, hauptsächlich aber von Satrern bewohnt wird“ (Herodot VII, 112).
Die Epoche der wirtschaftlichen Blüte der thasitischen Kolonialherrschaft in der Peraia begann Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. und dauerte bis etwa 463 v. Chr., als die Thasiten Bergwerke und Niederlassungen in der Peraia erstmalig aufgrund ihres Austritts aus dem ersten Attischen Seebund verloren. Die Athener kontrollierten die Peraia bis 447/6 v. Chr.. Erst 440 v.Chr. hatten sich die Beziehungen zu Athen wieder normalisiert. 411 v.Chr. nahmen die Spartaner die thasitischen Küstensiedlungen und 410 v. Chr. die Insel Thasos ein. Einzig Neapolis verteidigte sich erfolgreich, blieb loyal zu Athen und erklärte 411. v. Chr. seine Unabhängigkeit, d.h. den Abfall vom Mutterland Thasos, samt Landbesitz und den Bergbaubetrieben im nördlichen Hinterland. Daraufhin wurde Neapolis lange, aber erfolglos von den Thasiten belagert. Der Athener Thrasyboulos besiegte die thasitische Flotte 408/7 v. Chr.. Der Spartaner Lysander eroberte die Insel 404 v.Chr. zurück. Neapolis stand weiterhin auf Seiten Athens. Erst 390 v. Chr. gab es, nachdem Thasos erneut vom Athener Thrasyboulos erobert und dem zweiten Attische Seebund beigetreten war, einen Friedensvertrag zwischen Neapolis und Thasos unter Vermittlung von Paros. Dies hatte eine demokratischen Restauration in der Peraia wie auch auf der Insel zur Folge. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Thasiten aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Zugang zur Peraia. Die Aktivitäten in der Peraia wurden neu belebt und der Festlandsbesitz erlebte im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. eine neue Blütezeit und hohen Wohlstand. Die Thasiten gründeten 360/59 v. Chr. die Niederlassung Krenides (das spätere Philippi). Die fruchtbare Ebene um Krenides war für die Peraia von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Schließlich wurde die Peraia jedoch 340/39 v. Chr. von Philipp II. besetzt. Thasos behielt allerdings seinen Festlandsbesitz auch in den Zeiten der makedonischen und römischen Herrschaft, zuweilen jedoch in veränderten, meist engeren Grenzen, die heute nicht mehr bestimmt werden können. In römischer Zeit allerdings muss die Peraia bedeutend kleiner gewesen sein als in archaischen und klassischen Zeiten und umfasste wahrscheinlich nur den nördlich und nordöstlich von Neapolis gelegenen, an Edelmetallerzen jedoch besonders reichen Teil. Von der römischen Macht mussten die Thasiten in ihrer Peraia die Verpflichtung zur Erhaltung der Via Egnatia, die durch die Peraia führte, übernehmen, nachdem Justitian I. diese Durchzugsstraße durch befestigte Standorte, wie Topeiros und die Burg von Neapolis gesichert hatte. Im ersten Jahrhundert n.Chr. waren Handel, Landwirtschaft und Bergbau der Peraia das Rückgrat der blühenden thasitischen Wirtschaft.
[Bearbeiten] Literatur
- Ch. Koukouli-Chrysanthaki : Τα Μετάλλα της Θασιακής Περαίας, Πόλις και Χώρα στην Μακεδονία και Θράκη, Πρακτικά Αρχαιολογικού Συνεδρίου, Υπουργείου Πολιτισμού, Αρχαιολογικό Μουσείο Καβάλας και Ecole Francaise d’Athenes, Kavala 9. – 11. Mai 1986, Seite 493 – 532, Thessaloniki 1990
- A. Pavlopoulou: Thrakien bei Herodot: Darstellung einer Zwischenwelt, Studien zu Herodots Geschichte, Geographie und Ethnographie Thrakiens, Inaugurial-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität München, Institut für Alte Geschichte, München 2006
- M. Vavelidis, G. Gialoglou, B. Melfos, G. Wagner: Goldgrube in Palaea Kavala/Griechenland, ERZMETALL 09/1996, S. 547 - 554, GDMB Gesellschaft für Bergbau, Metallurgie, Rohstoff- und Umwelttechnik, D-38678 Clausthal-Zellerfeld