Stereomikroskop
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Stereomikroskop ist ein Vertreter aus der Geräteklasse Auflichtmikroskope.
Stereomikroskope arbeiten üblicherweise mit Vergrößerungen unterhalb 100:1, weil aufgrund der bei hohen Vergrößerungen rasch abnehmenden Schärfentiefe nur bei diesen vergleichsweise geringen Vergrößerungen ein räumliches Bild sinnvoll ist.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Abgrenzungen
Fälschlich werden Stereomikroskope oft als „Stereolupen“ oder „Binokulare“ bezeichnet. Im Unterschied zu einer Lupe besitzt ein Stereomikroskop jedoch eine zweistufige Vergrößerung durch Objektiv und Okular.
Bei einem binokularen Mikroskop, also einem gewöhnlichen Lichtmikroskop mit zwei Okulareinblicken, wird ein einziges Bild des Präparates durch einen Strahlenteiler vor dem Okular zur bequemeren Beobachtung für beide Augen verfügbar gemacht. Zusätzliche Bildinformationen (3D-Eindruck) werden somit nicht erreicht, sondern lediglich ein ermüdungsfreieres Arbeiten ermöglicht.
[Bearbeiten] Technik
Bei einem Stereomikroskop existieren dagegen zwei vollständig getrennte Strahlengänge, durch die das Objekt aus zwei um 14° bis 16° verschiedene Richtungen betrachtet wird. Dadurch wird ein räumlicher Eindruck ermöglicht. Dieser Stereowinkel entspricht dem Konvergenzwinkel beider Augen bei Nahakkommodation (in der „deutlichen Sehweite“ bei 25 cm).
[Bearbeiten] Greenough-Typ
Bei den Stereomikroskopen werden zwei verschiedene Konstruktionsprinzipien angewandt. Der ältere Bautyp ist das Greenough-Mikroskop, welches erstmals auf Anregung des amerikanischen Entomologen Horatio S. Greenough im Jahr 1892 durch Carl Zeiss in Jena gefertigt wurde. Bei diesem Typ sind beide Strahlengänge konstruktiv vollständig voneinander getrennt. Der Stereowinkel wird durch zwei in einer gemeinsamen Fassung befindliche Objektive erzeugt, deren optische Achsen um etwa 14° gegeneinander geneigt sind. Die Vorzüge dieses Gerätetyps sind ein niedrigerer Preis und eine bessere Abbildungsqualität. Der Nachteil ist die schwierigere Anbringung von Zusatzeinrichtungen für Koaxialbeleuchtung, Mikrofotografie und Zeichentuben. Deshalb wurde das Greenough-Mikroskop zwischenzeitlich stark durch den zweiten, nachfolgenden Bautyp verdrängt; es wird aber in jüngster Zeit wieder vermehrt hergestellt.
[Bearbeiten] Abbe-Typ
Der zweite Bautyp ist der Fernrohrtyp, der auf Ernst Abbe zurück geht. Er wurde erstmals bei dem Stereomikroskop SM XX von Carl Zeiss Jena verwirklicht. Das Doppelobjektiv fehlt hier, stattdessen findet sich ein gemeinsames Hauptobjektiv von großem Durchmesser. Der Stereowinkel wird hier dadurch erzeugt, dass mittels Blenden hinter dem Hauptobjektiv nur die Randstrahlen, die das Objektiv im Winkel von 14° durchsetzen, zur Bildentstehung benutzt werden. Das Zwischenbild befindet sich in unendlicher Entfernung. Deshalb ist eine zusätzliche Tubuslinse vor dem Okular vonnöten. Die Vorteile dieses Konstruktionsprinzips sind:
- ein von der Vergrößerung unabhängiger konstanter Arbeitsabstand
- leichte Anbringung von Zusatzeinrichtungen für Koaxialbeleuchtung, Zeichnen und Mikrofotografie
- bequemer Vergrößerungswechsel durch ein in einer Walze im Unendlich-Strahlengang angebrachtes Fernrohrsystem
(Es handelt sich um ein galileisches oder holländisches Fernrohr aus einem sammelnden und einem zerstreuenden Glied. Inzwischen haben aber sowohl bei den Greenough- als auch bei den nach dem Fernrohrsystem arbeitenden Stereomikroskopen pankratische Zoomsysteme eine weite Verbreitung gefunden.)
Die Nachteile des Fernrohrprinzips sind dagegen:
- eine geringfügig schlechtere Abbildungsqualität aufgrund der Randstrahlen, die das Objektiv schräg zur optischen Achse des Hauptobjektives (= Winkelhalbierende des Stereowinkels), durchstrahlen
- der so genannte Dom-Effekt, bei dem besonders bei niedrigen Vergrößerungen flache Objekte (etwa Fossilien auf Schieferplatten oder Platinen in der Elektroindustrie) stark gewölbt erscheinen. Dieser Fehler ist bei neueren Geräten weitgehend korrigiert;
- ein meist deutlich höherer Preis.
[Bearbeiten] Sonderformen
Ein interessantes Sondermodell stellte die „Mikroskop-Basis Stereo“ von Zeiss Oberkochen dar. Es ist ein kleines Stereomikroskop-Stativ mit einem Optikträger, der ein Hauptobjektiv und ein Prismensystem zur räumlichen Trennung der Strahlengänge enthält. Vervollständigt wird es durch ein aufgesetztes Taschenfernglas. Zusammen ergibt dies ein kleines leichtes Stereomikroskop mit konstanter Vergrößerung (12-, 16- oder 20-fach in Abhängigkeit vom benutzten Fernglas) für Reisen und biologische sowie paläontologische Feldarbeiten.
Ein Makroskop von Leica/Wild Heerbrugg sieht äußerlich einem Stereomikroskop sehr ähnlich. Hierbei handelt es sich aber um ein spezielles Auflicht-Fotomikroskop für niedrigere Vergrößerungsbereiche. Es ist dafür konzipiert, die Bildfehler, die bei der Fotografie durch ein Stereomikroskop unvermeidlich sind, auszuschalten. Das Makroskop ist zwar mit zwei Okularen und einer Bildaufrichtung ausgestattet und entspricht hinsichtlich des Vergrößerungsbereiches einem Stereomikroskop. Es erzeugt aber kein räumliches Bild und ist daher nur für Fotografie, nicht aber für präparative Arbeiten zu gebrauchen. Diese Geräte liegen preislich gewöhnlich noch deutlich über teuren Stereomikroskopen des Fernrohrtyps.
[Bearbeiten] Beleuchtung und Zubehör
Bei der Stereomikroskopie werden die Objekte meist von oben beleuchtet, oft ist aber auch eine Durchlichtbeleuchtung im Stativfuß eingebaut oder als Zusatzeinrichtung erhältlich, etwa für die Untersuchung biologischer Objekte. Es kann dann auch mit Mischlicht von oben und unten her gearbeitet werden. Vertiefungen in Objekten (wie Bohrungen in zu untersuchenden Werkstücken) können mittels einer Ringleuchte ausgeleuchtet werden, die nahe dem Objektiv angeklemmt wird. Wahlweise kommen ein oder mehrere abgesetzte Kaltlichtleuchten (Punkstrahler) zum Einsatz.
Für präparative Arbeiten sind viele verschiedene austauschbare Stativtypen verfügbar, beispielsweise Freiarmstative zur Untersuchung größerer Objekte. Weiterhin kann das Mikroskop leicht an Mikrotomen oder Maschinen angebracht werden, um Fertigungsprozesse zu überwachen.
[Bearbeiten] Einsatzgebiete
Stereomikroskope werden in vielen Bereichen von Lehre, Forschung und Technik angewandt, aber auch für Freizeitbeschäftigungen: in der Biologie, Geologie/Paläontologie, Mineralogie und der Zahntechnik, des weiteren in der Fertigung und Qualitätskontrolle der feinmechanische und elektronischen Industrie, sowie für Restaurationsarbeiten in Archäologie und Kunst. In der Biologie wurden die mit dem Nobelpreis bedachten entwicklungsphysiologischen Arbeiten von Speemann erst durch das Stereomikroskop ermöglicht. Wichtig ist es auch in der Kriminalistik für die Spurensicherung. In der Medizin wird das Stereomikroskop in leicht abgewandelter Form als Kolposkop, in der Gynäkologie, und als Spaltlampenmikroskop in der Augenheilkunde eingesetzt. Die typischen Operationsmikroskope der Chirurgie sind etwas stärker durch eine meist vorhandene Zweitbeobachtereinrichtung und einen größeren freien Arbeitsabstand auf Kosten des nunmehr schwächer ausgeprägten Stereoeffektes abgewandelt.
[Bearbeiten] Hersteller
In Deutschland werden Stereomikroskope unter anderem von Carl Zeiss, Leica (früher auch unter Wild/Heerbrugg), Askania (früher Kombinat Carl Zeiss Jena), Hund (früher Will) und Kaps hergestellt.