Spiegel (Literatur)
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Als Spiegel (zu lat. speculum) bezeichnet man eine in der mittelalterlichen Literatur verbreitete Form von Zusammenstellungen gleichartiger Prosatexte, die einen didaktischen, moralisch-religiösen, juristischen oder satirischen Zweck verfolgten.
Sie begannen als mlat. Werke des Hochmittelalters, z. B. in Gottfrieds von Viterbo Speculum regnum (um 1185) über Päpste und Könige, Nigellus’ von Longchamp Narrenspiegel Speculum stultorum (um 1180) und dem Speculum maius (um 1250) des Vinzenz von Beauvais, der größten Enzyklopädie des Mittelalters. Die ersten deutschsprachigen Spiegel waren vor allem Zusammenstellungen von Rechtsquellen, die die ältesten Prosatexte in der Volkssprache darstellen: der durch Eike von Repgow im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts kompilierte mnd. Spegel aller Sassen, der ca. 1275 daraus entstandene oberdt. Spiegel aller deutschen Leute und Ulrich Tenglers Laienspiegel (1509). Die Benennung des schon im 13. Jahrhundert entstandenen Schwabenspiegel erfolgte erst nachträglich im 17. Jahrhundert. Zur Spiegelliteratur zählen weiter auch die deutsche und lateinische Erbauungsliteratur, u. a. der Spiegel des Sünders und das Spiegelbuch (15. Jahrhundert), die Fürsten- und Heilsspiegel und Standeslehren wie Johannes Rothes Ritter-Spiegel (um 1410). Daneben gab es in der Spiegelliteratur auch medizinische Werke (Spygel der gesuntheit, Der frawn spiegel, beide 14. Jahrhundert) und Fabelsammlungen (Spygel der Wyßheit, 1520). Seit dem 16. Jahrhundert sind in der Spiegelliteratur auch Dramen zu finden, das erste war Erzherzog Ferdinands II. Speculum vitae humanae (1534).