Geschichtsunterricht
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Der Begriff Geschichtsunterricht bezeichnet alle Formen institutionalisierter Unterweisung in Geschichte, besonders in der Schule. Geschichtsunterricht ist in den meisten Staaten und deutschen Bundesländern ein eigenständiges Schulfach, die Geschichtslehrer benötigen ein fachwissenschaftliches und fachdidaktisches Studium und ein 2. Staatsexamen als Befähigungsnachweis (Fakultas), z. B. für die Abiturprüfung.
Es gibt aber auch andere Organisationsformen: So kann der Geschichtsunterricht in ein sozialwissenschaftliches Lernfeld mit Erdkunde und Sozialkunde in einer Lehrerhand integriert werden (z. B. als so gen. "Weltkunde"). Das ist häufig an Haupt- und Gesamtschulen der Fall. Die Lehrer unterrichten daher in solchen Fällen unter Umständen ohne Fachstudium.
Ferner kann es Geschichtsunterricht in freieren Formen als Arbeitsgemeinschaft im Nachmittagsunterricht, im Projektunterricht, im Rahmen von Geschichtswettbewerben (z. B. der Körber-Stiftung) oder in Prüfungen als Besondere Lernleistung geben. In diesen Fällen wird die Lehrerrolle am stärksten reduziert auf reine Lernbegleitung.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in Italien ist der Geschichtsunterricht Hauptgegenstand der wissenschaftlichen Disziplin der Geschichtsdidaktik.
Die verbreitete Vorstellung, dass es die Hauptaufgabe des Geschichtsunterricht sei, die jeweils aktuellen Ergebnisse der Geschichtswissenschaft den Schülern einfach zu vermitteln, ("Abbilddidaktik") ist aus geschichtstheoretischen wie pädagogischen Gründen nicht haltbar. Trotzdem bleibt die Geschichtswissenschaft als Fachdisziplin eine wesentliche Orientierungsinstanz für Geschichtsdidaktik und Geschichtsunterricht.
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[Bearbeiten] Geschichtsbewusstsein
In pluralistischen Demokratien ist ein langfristiger und nicht unumstrittener Trend erkennbar, der von der Zielsetzung der Vermittlung eines bestimmten Geschichtsbildes fort- und zum Ziel einer Befähigung der Lernenden zum eigenständigen und kritischen historischen Denken hinführt. In den deutschsprachigen Ländern hat hierzu die Erhebung des "Geschichtsbewusstseins" zur zentralen Kategorie der Geschichtsdidaktik stark dazu beigetragen. Gegenwärtig (Mitte der 200xer Jahre) könnte auch die nach PISA bildungspolitisch forcierte Ausrichtung der Lehrpläne auf "Kompetenzen" dazu beitragen, obwohl das Steuerungsinstrument der "Bildungsstandards" hier auch gegenteilig wirken könnte.
Das Ziel der Förderung von Geschichtsbewusstsein als oberstes Ziel des Geschichtsunterrichts soll den Lernenden in die Lage versetzen, auch nach Ende seiner Schulzeit (und schon während der Schulzeit) ohne Anleitung selbstständig historisch zu denken, seine eigene Identität zu entwickeln und zu reflektieren und zumindest tendenziell gleichberechtigt an der gesellschaftlichen Diskussion und Auseinandersetzung über Geschichte teilzunehmen.
[Bearbeiten] Prinzipien
Für modernen Geschichtsunterricht gelten mehrere Prinzipien für die "Stoff-" (besser: Gegenstands-), sowie die Methoden- und Medienwahl wie auch die Unterrichtsplanung. Diese sind teilweise (wenn auch oft sehr generell) in den Lehrplänen niedergelegt, teilweise haben sie den Status von didaktischen Forderungen:
- Arbeits- bzw. Denkfachorientierung (wider rein reproduktives Lernen)
- Orientierung am Ziel der Entwicklung und Förderung von Geschichtsbewusstsein
- Problemorientierung
- Multiperspektivität, d.h. Berücksichtigung mehrerer historischer Perspektiven auf den jeweils behandelten Gegenstand, sowohl auf der Ebene der historischen Wahrnehmung (Quellen) ["Multiperspektivität im engeren Sinne"], als auch bei Deutungen (Darstellungen, Literatur) ["Kontroversität"] sowie der möglichen Schlussfolgerungen ["Pluralität"]
- Fremdverstehen: Perspektivenübernahme, Empathie bzw. auch Interkulturelle Erziehung
- Gegenwartsbezug bzw. Politische Bildung
- Wissenschaftsorientierung
Der Geschichtsunterricht in Deutschland ist hinsichtlich der Anordnung der zu behandelnden Stoffe in der Sekundarstufe I überwiegend chronologisch organisiert. In der Sekundarstufe II wird dieses Prinzip teilweise nicht mehr eingehalten. Es ist keineswegs unproblematisch und wird zunehmend auch für die unteren Klassen kritisiert, da es weder in hinreichendem Maße die Erkenntnisse der Geschichtstheorie noch die Fragestellungen und Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie berücksichtigt. Andere Organisationsformen, die zunehmend Eingang auch in Lehrplänen finden, sind die Orientierung an jeweils gegenwärtig relevanten Problemkomplexen bzw. die Anordnung der Themen in Längsschnitten.
[Bearbeiten] Staatsnähe und Politische Bildung
Geschichtsunterricht als Schulfach ist eine staatliche Veranstaltung. Er steht in der Verantwortung des Staates und unterliegt staatlich gesetzten Lehrplänen oder offeneren Rahmenplänen. Häufig wird trotz regelmäßig durchgeführter "Entrümpelung" die Überfüllung dieser Pläne kritisiert, die teilweise eher die Wünsche geschichtsbewusster Erwachsener als die realistischen Lernmöglichkeiten Heranwachsender widerspiegeln. Außerdem ist Geschichtsunterricht immer in der Gefahr, einer geschichtspolitischen Indoktrination oder Instrumentalisierung zu dienen. Andererseits gibt es legitime Gründe für eine Kultur bzw. Gesellschaft, Geschichtsunterricht und Politische Bildung zu institutionalisieren, da viele gesellschaftliche Institutionen den Nachwachsenden nur historisch plausibel zu machen sind. Ein gutes Beispiel sind die Verfassungsregeln des bundesdeutschen Grundgesetzes, die vielfach nur aus der Kenntnis der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert verständlich und anerkannt werden.
In der Geschichte des Geschichtsunterrichts hat es verschiedene Interessen und Begründungen für die Einschränkung oder Ausweitung bzw. spezifische Ausrichtungen von Geschichtsunterricht und das Vermitteln bestimmter Inhalte bzw. Überzeugungen gegeben. Dies reichte von monarchistisch-dynastischer Loyalität bis zum sozialistischen Klassenkampfdenken. In der Bundesrepublik Deutschland gehört die Auseinandersetzung mit Diktaturen und die Geschichte von Demokratie und Menschenrechten zu den zentralen Aufgaben. Auch unterscheiden sich Ziele und Stoffe sowie Methoden von Geschichtsunterricht in verschiedenen Ländern deutlich.
Geschichtsunterricht als die wohl zentrale Instanz intendierter und institutionalisierter Beeinflussung von Geschichtsbild und Geschichtsbewusstsein ist immer politisch umstritten. Gerade wegen der Möglichkeit zur Indoktrination steht er zu Recht im besonderen Blickfeld der öffentlichen politischen Auseinandersetzung (z. B. zur Zeit wegen fehlender Behandlung der DDR-Geschichte) - sowohl national wie international (in Frankreich z. B. aktuell wegen der Kolonialgeschichte). Auch für den Geschichtsunterricht sind die in der Politikdidaktik bzw. Politischen Bildung entwickelten Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses als gültig anzusehen.
[Bearbeiten] Medien
Das Haupt-Medium des Geschichtsunterrichts ist weiterhin das Geschichtsschulbuch. Dieses Medium hat im Laufe seiner Entwicklung jedoch deutliche Wandlungen durchgemacht. Heute wird es weniger als Lehrbuch denn als Arbeitsbuch genutzt. Als weitere Medien kommen insbesondere weitere Texte (bes. Zeitungsartikel), audiovisuelle Medien (Film, Video, Fernsehen, Tonaufnahmen), Augen- und Zeitzeugeninterviews, im Rahmen der technischen Entwicklung auch immer stärker computergestützte Medien wie CD-ROM und Internet hinzu.
[Bearbeiten] Computereinsatz im Geschichtsunterricht
- Für den Unterricht konzipierte Lernsoftware "Die Stadt im späten Mittelalter". Für 8-15 Euro beim SWR bestellbar. Außerdem weiterführende Informationen
- http://www.zum.de/Faecher/Materialien/amberg/| Lernzirkel für die Arbeit mit der Lernsoftware "Die Stadt im späten Mittelalter" (SWR) zum Download.
[Bearbeiten] Literatur
- Hilke Günther-Arndt (Hg.): Geschichtsdidaktik. Praxishandbuch für Sekundarstufe I und II, Cornelsen Berlin 2003
- Michael Sauer: Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, Kallmeyer Seelze-Velber 2001