Freie
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Freie gab es in einem Großteil der vormodernen europäischen Gesellschaften. Bei den Römern hießen sie līberi, bei den Germanen die Frilinge. In der mittelalterlichen Feudalgesellschaft waren es Freibauern und Bürger. Sie waren voll rechtsfähig, dafür meist zur Heeresfolge verpflichtet. Andererseits brauchten sie keine Frondienste zu leisten (oder nur für ihr gepachtetes Ackerland). Über ihnen stand der Adel, der über die Rechte der Freien hinaus zahlreiche Privilegien hatte. Niedriger als die Freien standen je nach Gesellschaftsorganisation verschiedene Arten von Halbfreien, Unfreien, Leibeigenen oder Sklaven.
Wegen der Belastung durch die Heeresfolge und den Druck immer mächtigerer adeliger Grundherren nahm der Bevölkerungsanteil der Freien im Mittelalter ab. Mit Gründung und Wachstum zahlreicher Städte im Hochmittelalter bildete sich allerdings mit dem Bürgertum eine neue große und mit der zunehmenden Verstädterung gesellschaftlich immer bedeutendere Gruppe von Freien heraus („Stadtluft macht frei“). Vielerorts lebten auf dem Land zwischen einer Mehrheit leibeigener Bauern auch noch einzelne Freibauern. Einige Gemeinden von Freibauern konnten sich auch über längere Zeit gegen die Überführung in Knechtschaft, Hörigkeit und Leibeigenschaft wehren und etwa in Bauernrepubliken wie Dithmarschen halten.
Auch in der heutigen Schweiz konnten sich einige dörfliche Genossenschaften von Freien, z. B. die Grafschaft Laax, dauerhaft von der Adelsherrschaft freihalten. Solchen (reichsunmittelbaren) Grafschaften stand kein Graf vor, sondern sie bestand aus Genossenschaften, die in Hundertschaften organisiert waren. Im französischen Sprachgebiet der Schweiz lassen sich Orte, in denen Hundertschaften von freien Bauern existierten, an Flurnamen wie Centenair (von lateinisch centum = „hundert“) erkennen. Die Genossenschaften waren in der Regel mit anderen Hundertschaften verbündet und bildeten dann sogenannte Eidgenossenschaften. Die Gründe dafür, dass sich diese Bünde freier Bauern über das ganze Mittelalter hinweg halten konnten, liegen neben ihrer Wehrhaftigkeit und Einigkeit auch in der Unterstützung des Kaisers, der daran interessiert war, bestimmte Alpenpässe zu sichern und nicht in der Hand von Adelsfamilien fallen zu lassen.
In den skandinavischen Ländern blieben die Freien das ganze Mittelalter über die größte und wichtigste Bevölkerungsgruppe. Auch in Frankreich waren die Freibauern zahlenmäßig bedeutender als in Mitteleuropa.
Mit der Abschaffung von Leibeigenschaft und Sklaverei im 19. Jahrhundert wurde der Klassenbegriff Freie praktisch bedeutungslos. Der Begriff der politischen Freiheit als solcher spielte allerdings als Charakteristikum des aufstrebenden Bürgertums eine immer größere Rolle und prägte die gesellschaftspolitische Entwicklung bis heute nachhaltig. Die liberale „westliche Demokratie“ sieht sich selbst in der Tradition dieses Freiheitsbegriffs.
[Bearbeiten] Quellen
- Otto P. CLAVADETSCHER, Die Herrschaftsbildung in Rätien, in: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters (VF 10), Sigmaringen, 1965, S. 141 in Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters. Reichenau-Vorträge 1961-1962 (Vorträge und Forschungen 10), Sigmaringen, 1965 4 1976