Binnenmarkt
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Ein Binnenmarkt ist ein abgegrenztes Wirtschaftsgebiet, welches durch den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital sowie eine harmonisierte Rechtsordnung gekennzeichnet ist. Auch wird der Begriff Binnenmarkt oft als Gegensatz zum Welt- oder Exportmarkt oder als Bezeichnung für den nationalen Markt eines Landes verwendet.
Die größten Binnenmärkte der Welt sind die USA, Europäische Union, China, Indien sowie Japan.
Ein Beispiel für länderübergreifende Binnenmärkte ist z.B. der Europäische Binnenmarkt, zu dem neben den EU-Staaten auch die EWR-Mitgliedstaaten sowie die Schweiz und teilweise die Türkei gehören. Im Fall eines länderübergreifenden Binnenmarktes spricht man auch von einem Gemeinsamen Markt.
[Bearbeiten] Binnenmarkt als Wirtschafts- und Rechtsbegriff
Binnenmarkt ist nicht nur eine Wirtschaftsform, sondern auch ein Rechtsbegriff. Denn ein Binnenmarkt entsteht nicht automatisch von alleine. Er ist ein hochentwickeltes und komplexes wirtschaftliches und rechtliches Wettbewerbs- und Leistungssystem. Dessen Herstellung und dessen darauf folgendes Funktionieren müssen zumeist gegen vielfältige Widerstände gegen Staaten, Unternehmen und Arbeitnehmer/Verbraucher durchgesetzt werden.
Von einem "Binnenmarkt" im Gegensatz zum einfachen "Markt" spricht man ausdrücklich, wenn bisher voneinander getrennte, gegeneinander abgegrenzte und deshalb als "außen" und "ausländisch" geregelte Wirtschaftsgebiete und Staaten geplant wirtschafts- und rechtspolitisch vereinigt und vereinheitlicht werden sollen.
Die Trennung und die Grenzen, welche dabei aufgehoben werden müssen, bestehen nicht in den sichtbaren völkerrechtlichen Staatsgrenzen mit Grenzposten u. dergl. Es sind vielmehr die unzähligen unsichtbaren einfachen Zoll-, Handels-, Steuer-, Technik-, Arbeits-, Berufszulassungs-, u.a. -Gesetze der Staaten, die die wahren Staats- und Wirtschaftsgrenzen nach außen und innen bilden und die einen Wirtschaftsvorgang "grenzüberschreitend" machen und "Ausland" schaffen.
Inbegriff und Ziel eines Binnenmarktes ist daher die verfassungsrechtliche Schaffung und Vollendung eines Rechts- und Wirtschaftsgebietes, in welcher für alle und alles Rechts- und Wirtschaftsgleichheit und -Einheit "ohne Grenzen" gilt.
Ist ein Binnenmarkt durch Rechtsakt verkündet, dann ist eine neue übergeordnete Wirtschaftsverfassung geregelt. "Binnenmarkt" ist dann Hauptbestandteil dieser neuen Wirtschaftsverfassung und zugleich Verfassungsmäßiges Grundrecht für alle daran beteiligten Wirtschaftsgebiete und Staaten und insbesondere für deren Bürger.
"Binnenmarkt" tritt als grundlegende Verfassungsänderung regelmäßig zu einem festen Datum in Kraft. Dieses rein juristische Inkrafttreten wird allgemein "Schaffung" oder "Vollendung" eines Binnenmarktes genannt. Davor wird meistens eine Übergangsfrist geregelt. In dieser müssen die unzähligen Wirtschafts- u.a. -Gesetze der beteiligten Staaten, die bisher deren "Außengrenzen" bildeten, aufgehoben werden. Diese zur Aufhebung bestimmten Gesetze werden während der Übergangszeit zusammenfassend als "Binnengrenzen" bezeichnet.
Tritt ein "Binnenmarkt" formal rechtlich in Kraft, dann ist er "ohne Binnengrenzen". Das bedeutet juristisch, dass die Gesetze, die von den nun zum Binnenmarkt gehörenden Wirtschaftsgebieten und Staaten, die während der Übergangszeit aufgehoben werden mussten, endgültig aufgehoben sind oder - falls das entgegen dem Verfassungsauftrag noch nicht vollzogen worden ist - als außer Kraft getreten gelten.
"Ohne Binnengrenzen" bedeutet weiter, dass alle Wirtschaftsvorgänge nach Inkrafttreten des Binnenmarktes nicht mehr "grenzüberschreitend" oder "ausländisch" sind. Da sie "binnen" sind und nach Einheitsrecht ablaufen, sind sie praktisch inländisch. Z.B. Handel innerhalb eines Binnenmarktes ist juristisch und wirtschaftlich nicht mehr "Export/Import", "Ausfuhr/Einfuhr" oder "Außenhandel", sondern ganz normaler Binnenhandel.
Ein Binnenmarkt bringt wirtschaftlich durch Abbau von Handelshemmnissen und Schutzregelungen zahlreiche Produktions- und Handelsvorteile im Sinne von Rationalisierungs- und Synergieeffekten mit sich. Diese zeigen sich bei den in einem Binnenmarkt liegenden Staaten als Souveränitätsverzicht und Gesetzesaufhebungen, bei Unternehmen und Arbeitnehmern als erhöhten Wettbewerbs- und Preisdruck sowie ggf. Standortaufgaben bzw. -verlagerungen, bei den Verbrauchern als vermehrtes Warenangebot zu niedrigeren Preisen.
[Bearbeiten] Literatur
- Gerold Schmidt, Das Agrarrecht und die Entstehung des heutigen Verfassungsbegriffs "Binnenmarkt", in: Agrarrecht, Zeitschrift für das gesamte Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes, Hiltrup b. Münster, 27. Jahrg. 1997, S.269-277
- Gerold Schmidt, Die neue Subsidiaritätsprinzipregelung des Art. 72 GG in der deutschen und europäischen Wirtschaftsverfassung, in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV), Zeitschrift für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft, 48. Jahrg. 1995, S. 657-668