Kaddisch
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Das Kaddisch ist eines der wichtigsten Gebete im Judentum. Es ist ein Heiligungsgebet (von kadosch, heilig). Im Gegensatz zu fast allen anderen jüdischen Gebeten ist seine Sprache nicht nur Hebräisch, sondern auch Aramäisch.
Das Kaddisch soll manchen Angaben nach zehnmal am Tag rezitiert werden. Auch bei den Tagesgebeten und im Gottesdienst nimmt es einen angestammten Platz ein. Hier markiert es die Übergänge zwischen den wichtigsten Abschnitten des Gottesdienstes.
Das Kaddisch wird außerdem zum Totengedenken gesprochen. Im Anschluss an einen Todesfall in der engeren Familie wird es vom (nächsten männlichen) Angehörigen 11 Monate lang täglich gesprochen. Am Jahrestag eines Todesfalles wird es noch einmal gesprochen. (Damit endet diese Form ritualisierter Trauer)
Eine Besonderheit des Kaddisch ist, dass es nur gesprochen werden darf, wenn ein Minjan (d.h. zehn erwachsene Juden) anwesend ist. Diese antworten an bestimmten Stellen des Kaddisch mit „amen“.
Das Gebet ist im wesentlichen eine Lobpreisung Gottes. Obwohl sich mit der Zeit Assoziationen mit Tod und Trauer entwickelt haben, erscheinen diese Begriffe nicht selbst im Gebet.
Jesus von Nazareth greift in seinem Vaterunser die wichtigsten Gedanken dieses Gebetes auf.
Deutsche Übersetzung:
„Erhoben und geheiligt werde sein großer Name auf der Welt, die nach seinem Willen von Ihm erschaffen wurde – sein Reich erstehe in eurem Leben in euren Tagen und im Leben des ganzen Hauses Israel, schnell und in nächster Zeit, sprecht: Amen! Sein großer Name sei gepriesen in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten. Gepriesen und gerühmt, verherrlicht, erhoben, erhöht, gefeiert, hocherhoben und gepriesen sei der Name des Heiligen, gelobt sei er, hoch über jedem Lob und Gesang, jeder Verherrlichung und Trostverheißung, die je in der Welt gesprochen wurde, sprecht Amen.
- Fülle des Friedens und Leben möge vom Himmel herab uns und ganz Israel zuteil werden, sprecht Amen.
- Der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen, er stifte Frieden unter uns und ganz Israel, sprecht Amen.“
– (Quelle: Text und Übersetzung)
Vom Kaddisch gibt es zahlreiche Vertonungen, vom einfachen Parlando bis zu feierlichen Solokompositionen für den Vorbeter. Salomone Rossi hat in seiner Sammlung Hohelied des Salomo das Kaddisch in zwei Versionen komponiert, für jeweils drei- und fünfstimmigen Chor. Der italienische Barockkomponist Benedetto Marcello notiert in seinem Estro poetico-armonico eine tänzerisch-fröhliche Version des Kaddisch, zum Abschluss des Sabbatgebetes. Maurice Ravel nahm das Kaddisch als Nr. 1 in seine „Deux mélodies hébraiques“ auf (1914 für Gesang mit Harfe oder Klavier, 1919/20 orchestriert). Leonard Bernstein überschrieb seine dritte Sinfonie (UA 1963 Tel Aviv) mit „Kaddish“. In dieser Sinfonie gibt es eine Sprecherrolle, die das Kaddisch auch mehrfach über der Musik rezitiert.
[Bearbeiten] Literatur
- David De Sola Pool: The Old Aramaic Prayer - The Kaddish. Rudolf Haupt, Leipzig 1909.
- Andreas Lehnardt: Qaddish. Untersuchungen zur Entstehung und Rezeption eines rabbinischen Gebetes. Mohr Siebeck, Tübingen 2002. ISBN 3161477235
- Andreas Lehnardt: Die Geschichte des Kaddisch-Gebets. in: W. Homolka (Hrsg.): Liturgie als Theologie. Frank & Timme, Berlin 2005, S.30-46. ISBN 9783865960085
- Israel Ta-Shema: Some Notes on the Origins of the Kaddish. in: Tarbiz. Jerusalem 53.1984/85, 559-568. ISSN 0334-3650
- Leon Wieseltier: Kaddisch. Hanser, München 2000. ISBN 3446199446 (Rezension)