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Vaterunser – Wikipedia

Vaterunser

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Tafel mit dem deutschen Text in der Paternosterkirche
Tafel mit dem deutschen Text in der Paternosterkirche

Das Vaterunser ist das bekannteste Gebet des Christentums und das einzige, das Jesus Christus selbst nach dem Neuen Testament (NT) seine Jünger zu beten gelehrt hat. Es wird von Christen fast aller Kirchen und Konfessionen sowohl im Gottesdienst wie auch privat gebetet.

Das Vaterunser heißt auch

  • der Vater unser (betont den im Gebet Angeredeten, regional)
  • Unser Vater (reformierte und teilweise freikirchliche Tradition)
  • Gebet des Herrn bzw. Herrengebet (lutherische Tradition, oft auch in historisch-kritischer Exegese)
  • Pater noster oder Oratio Dominica (lateinisch, altkirchliche und katholische Tradition)

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Neues Testament

Das Vaterunser erscheint im NT je einmal im Matthäusevangelium (Mt 6,9-13 EU) und im Lukasevangelium (Lk 11,2ff EU) in zwei leicht unterschiedlichen Versionen. Sie werden beide als „Lehre“ (griech. didaskale, hebr. tora) des Jesus von Nazaret eingeführt. Demnach wird der Wortlaut des Gebets direkt auf Jesus selbst zurückgeführt.

Beide Fassungen stellen das von Jesus gelehrte und gebotene Gebet in einen Zusammenhang mit anderen damaligen Gebetstraditionen des Judentums wie der nichtjüdischen Umwelt. Sie beginnen mit der Anrede Gottes als Vater im Himmel und lassen darauf zwei unterschiedliche Reihen folgen: Satz 2-4 (Dein...) sind auf Gott, seinen Eigennamen und Eigenwillen bezogen, Satz 5-7 (Unser...) bitten nachgeordnet um die täglichen Grundbedürfnisse für das Kollektiv der Nachfolger bzw. der Gemeinde Jesu Christi. Diese sind ihrerseits nochmals in leibliche (Brot) und geistliche (Vergebung, Erlösung) Gaben unterteilt. So sind auch diese auf das für das Menschsein Notwendige bezogenen Bitten nicht individuell formuliert, sondern stehen im Rahmen dessen, was von Gott für die ganze Welt und alle Menschen (wie im Himmel, so auf Erden) erhofft und erbeten wird.

[Bearbeiten] Matthäusevangelium

Die bekanntere, dem heutigen liturgischem Gebrauch zugrundeliegende Version des Matthäusevangeliums lautet im griechischen Urtext:

Πάτερ ἡμῶν ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς·
ἁγιασθήτω τὸ ὄνομά σου·
ἐλθέτω ἡ βασιλεία σου·
γεννηθήτω τὸ θέλημά σου,
ὡς ἐν οὐρανῷ καὶ ἐπὶ τῆς γῆς·
τὸν ἄρτον ἡμῶν τὸν ἐπιούσιον δὸς ἡμῖν σήμερον·
καὶ ἄφες ἡμῖν τὰ ὀφειλήματα ἡμῶν,
ὡς καὶ ἡμεῖς ἀφίεμεν τοῖς ὀφειλέταις ἡμῶν·
καὶ μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν,
ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονηροῦ.
(ὅτι σοῦ ἐστιν ἡ βασιλεία καὶ ἡ δύναμις καὶ ἡ δόξα εἰς τοὺς αἰῶνας·)
ἀμήν.

Sie steht in der Bergpredigt, die als programmatische Lehre Jesu gegenüber allen Angehörigen des Gottesvolks Israel und allen Nachfolgern seinem heilvollen Handeln vorangestellt ist (Mt 5,1f EU). Dort bildet das Zitat des Vaterunsers die Konkretisierung der Lehre Jesu vom Gebet überhaupt (Mt 6,5-15). Das Beten der Nachfolger soll sich von einer öffentlichen, wortreichen, auf Außenwirkung bedachten Art des Betens bei Pharisäern und Heiden unterscheiden. Seine Basis ist die allem Beten vorlaufende Zusage (v. 8):

Euer Vater weiß, was ihr braucht, ehe ihr darum bittet.

Darauf folgt die Aufforderung (v. 9a):

Darum sollt ihr so beten: ...

Nur die matthäische Version beschließt die Bittenreihe mit einer Doxologie („Lobpreis, lobendes, rühmendes Wort“), die auf die Anfangsbitte um das Kommen des Reiches Gottes zurückkommt und die vorausgegangene Zusage Gottes im Munde Jesu gleichsam appellativ an Gott zurückgibt: „Denn dein ist das Reich…“ Dieser Schluss ist in den ältesten Handschriften nicht überliefert.

[Bearbeiten] Lukasevangelium

Der Lukastext unterscheidet sich nur im Bereich der zweiten Bittenreihe von der matthäischen Fassung:

Gib uns unser tägliches Brot immerdar.
Und vergib uns unsere Sünden; denn auch wir vergeben allen, die uns etwas schulden.

In manchen Handschriften fehlt in der folgenden Bitte der Gegensatz ...sondern erlöse uns von dem Übel.

Das Vaterunserzitat erscheint hier außerhalb der sonstigen lukanischen Parallelen zur Bergpredigt (Feldrede Lk 6) als Antwort Jesu auf eine Anfrage der Jünger unterwegs (Lk 11,1f). Die Jüngerbitte - Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte - bezieht es auf vorangegangene und parallele jüdische Gebetstraditionen. Sie folgt auf Jesu Besuch bei den Schwestern Martha und Maria (Lk 10,38-42). Dort wurde das Zuhören zu dem, was Jesus zu sagen hat, als „das gute Teil“, das dem, der es erwählt, nicht fortgenommen werden soll, der vielen „Sorge und Mühe“ gegenübergestellt, mit der Martha Jesus zu dienen versucht. Demgemäß erscheint das Vaterunser als jener bessere Gottesdienst, den die Hörer der Lehre Jesu von ihm lernen können.

Wegen des situativen Rahmens, der Erwähnung der Johannesjünger und der fehlenden Schlussdoxologie wird die Lukasversion meist für ursprünglicher gehalten.

[Bearbeiten] Heute gebetete Fassungen

„Pater noster“, volkstümlicher Wandschmuck, vor 1900 erschienen
„Pater noster“, volkstümlicher Wandschmuck, vor 1900 erschienen

Die heute sowohl von evangelischen als auch katholischen Christen gebetete ökumenische deutsche Fassung lautet:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

In der Reformierten Kirche wird die Anrede oft umgestellt: Unser Vater..., der übrige Text ist identisch. In der Neuapostolischen Kirche werden zudem die Worte der ersten Bitte umgestellt: Dein Name werde geheiligt. Dies folgt der Lutherbibel von 1984.

In der orthodoxen Kirche wird der doxologische Schlussvers im Gottesdienst vom Priester allein gesprochen, im privaten Gebrauch ganz weggelassen. Die Römisch-katholische Kirche behält dem Priester in der Messe einen Embolismus (Gebetseinschub) vor, den er allein vor dem Schlussvers spricht, um die vorangegangenen Bitten zu vertiefen und zusammenzufassen:

Erlöse uns, Herr, allmächtiger Vater, von allem Bösen und gib Frieden in unseren Tagen. Komm uns zu Hilfe mit deinem Erbarmen und bewahre uns vor Verwirrung und Sünde, damit wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.

Darauf antwortet die Gemeinde mit der Doxologie:

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.

Es wird auch die tradierte, internationale lateinische Fassung gebetet:[1]

Pater noster, qui es in caelis:
sanctificetur Nomen Tuum;
adveniat Regnum Tuum;
fiat voluntas Tua,
sicut in caelo, et in terra.
Panem nostrum cotidianum da nobis hodie;
et dimitte nobis debita nostra,
Sicut et nos dimittimus debitoribus nostris;
et ne nos inducas in temptationem;
sed libera nos a Malo.
Quia tuum est regnum, et potestas, et gloria
in saecula.
Amen.

[Bearbeiten] Liturgische Traditionen

Das Vaterunser basiert auf jüdischen Gebetstraditionen, die damals bereits jahrhundertelang im Tanach überliefert worden waren. Es ähnelt vor allem dem Kaddisch, besonders im ersten Teil in Bezug auf die Heiligung des Namens und der Verwirklichung von Gottes Herrschaft, und dem Achtzehnbittengebet Schmone Esreh, besonders im zweiten Teil in Bezug auf die Dinge des täglichen Lebens.

Es gehört in den synoptischen Evangelien zu den Texten, die die historisch-kritische NT-Forschung der vermuteten Logienquelle zuweist. Deren älteste, anfangs mündlich überlieferten und von der Situation missionierender Wanderbettler geprägten Texte werden auf Christen zurückgeführt, die Jesus zu Lebzeiten begegnet sein können. Ihre Überlieferung erhielt früh einen festen Platz in der urchristlichen Gottesdienstliturgie, besonders im Kontext des Abendmahls. Dort galt das Vaterunser spätestens seit 90 als das heiligste Gebet; Katechumenen durften es noch nicht beten. Nach alten Texten wie der Didache sollten Christen es auch privat dreimal am Tag beten.

Außerdem bildete das Vaterunser mit dem Credo zusammen die Stücke, die jeder getaufte Christ lernen und wissen sollte. Die Kapitularien Karls des Großen ordneten an, dass jeder Christ es auswendig hersagen können sollte. Wer dies nicht vermochte, sollte nicht als Pate (Taufzeuge) zugelassen werden.

In der katholischen Kirche ist das Vaterunser zentraler Bestandteil des Rosenkranzgebets, hier aber traditionell ohne die sekundäre Doxologie. Es wird in jeder Heiligen Messe gebetet. Direkt im Anschluss folgt der Friedensgruß und das Agnus Dei. Im lutherischen Katechismus bildet es das dritte Hauptstück.

[Bearbeiten] Das Vaterunser in der Musik

Das Vaterunser hat auch viele Komponisten zu einer Vertonung angeregt. Folgende Komponisten nahmen sich des Textes an, verwendeten jedoch sehr unterschiedliche Fassungen (die Liste ist nicht abschließend):

Luigi Cherubini, Martin Luther, E Nomine, Die Toten Hosen, Charles Gounod, Leoš Janáček, Franz Liszt, Giacomo Meyerbeer, Otto Nicolai, Bernardino Rizzi, Igor Strawinski, Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Leonard Bernstein (in Mass) und Giuseppe Verdi.

Populär sind auch volkstümliche Vertonungen des Vaterunsers, darunter die Werke von Albert Hay Malotte und Gotthilf Fischer.

Mit einer englischen Version des Vaterunser konnte der englische Sänger Cliff Richard unter dem Titel Millennium Prayer die Nummer Eins der englischen Singlecharts erreichen. Er setzte sich damit gegen die Konkurrenz von Oasis oder Blur durch.

Im Jahr 1997 nahm der Düsseldorfer Obertonchor unter Leitung von Christian Bollmann das Vater unser in aramäischer Sprache auf.[2] Diese Aufnahme wurde auch konzertant in der Balver Höhle zur Aufführung gebracht.

Die wohl modernste Vertonung entstammt der Feder der Söhne Mannheims aus dem Jahr 2004.

[Bearbeiten] Siehe auch

Wikisource
 Wikisource: Pater noster – Quellentexte
Wikisource
 Wikisource: Vaterunser – Quellentexte
Wiktionary
 Wiktionary: Vaterunser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen und Grammatik

[Bearbeiten] Einzelbelege

  1. Katechismus der Katholischen Kirche (lat)
  2. Entstehung der CD Abwun - The Prayer of Jesus

[Bearbeiten] Literatur

Historisch-kritische Exegese

  • Joachim Jeremias: Das Vater-Unser im Lichte der neueren Forschung, Calwer Verlag 1962, ASIN B0000BJRJ3
  • Ulrich Luz, Clemens Leonhard, Manfred Seitz: Art. Vaterunser I. Neues Testament II. Judentum III. Kirchengeschichtlich und praktisch-theologisch, in: Theologische Realenzyklopädie 34 (2002), S. 504-529 (Überblick)
  • Holger Finze-Michaelsen: Vater unser – unser Vater. Entdeckungen im Gebet Jesu, Biblisch-theologische Schwerpunkte 24. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-61581-7
  • Marc Philonenko: Das Vaterunser. Vom Gebet Jesu zum Gebet der Jünger. UTB für Wissenschaft 2312. Mohr Siebeck, Tübingen 2002, ISBN 3-16-147694-8
  • Oscar Cullmann: Das Gebet im Neuen Testament. Mohr Siebeck, Tübingen 2/2002, ISBN 978-3-16-146685-4
  • Pinchas Lapide , Das Vaterunser – ein christliches oder ein jüdisches Gebet?, in: Tribüne. Zeitschrift zum Verständnis des Judentums 12 (1973), 5456-5461.
  • Gerhard Lohfink: Das Vaterunser neu ausgelegt. Verlag Urfeld, 2007, ISBN 3932857321

Übersetzungen

  • Johann Christoph Adelung: Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde mit dem Vater Unser als Sprachprobe in beynahe fünfhundert Sprachen und Mundarten, Fünf Bände. Originalausgabe: Berlin (Voss) 1806-1817; Reprint der Erstausgabe: Olms Verlag 1970

Gebetspraxis

  • Romano Guardini: Das Gebet des Herrn, Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2000, ISBN 3-7867-8366-7
  • Klaus Völkers: Das Vaterunser. Quelle der Kraft. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg 1999, ISBN 3-7600-0904-2
  • Reinhard Körner: Das Vaterunser. Spiritualität aus dem Gebet Jesu, Benno-Verlag, Leipzig 2002, ISBN 3-7462-1566-8
  • Eugen Biser: Glaubensbekenntnis und Vaterunser. Eine Neuauslegung, Patmos, Düsseldorf 2003, ISBN 3-491-69401-9
  • Dietmar Rost, Joseph Machalke: Das Vaterunser den Kindern erzählt, Mit Bildern von Heide Mayr-Pletschen. Agentur des Rauhen Hauses, Hamburg u.a. 1994, ISBN 3-7666-9513-4
  • Kerstin Hack: Online with God. Trainingskurs Gebet. Basierend auf dem Vaterunser, Down to Earth Verlag, Berlin, 2000, ISBN 3-935992-05-X
  • Eva Harasta: Lob und Bitte. Eine systematisch-theologische Untersuchung über das Gebet, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2005, ISBN 3-7887-2113-8
  • Gerhard Rödding: Das Vaterunser. Eine Brücke zu Gott. Quell, Gütersloh 2003, 127 S., ISBN 3-579-03469-3
  • Bernd Willmes, Josef Zmijewski, Karlheinz Diez: Gott als Vater in Bibel und Liturgie. Fuldaer Hochschulschriften 34. Knecht, Frankfurt a.M. 2000, ISBN 3-7820-0842-1

[Bearbeiten] Weblinks

Wikisource
 Wikisource: Vaterunser – Quellentexte
Wiktionary
 Wiktionary: Vaterunser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen und Grammatik


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