Johann Heinrich Meyer

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Johann Heinrich Meyer
Johann Heinrich Meyer

Johann Heinrich Meyer (* 16. März 1760 in Stäfa bei Zürich; † 14. Oktober 1832 in Jena) war ein schweizerischer Maler und Kunstschriftsteller. Der Füssli-Schüler ging 1784 nach Rom, wurde 1787 Goethes Freund, lebte seit 1791 in Weimar, wirkte dort ab 1806 als Direktor der Fürstlichen freien Zeichenschule und war Goethes rechte Hand in Kunstdingen. Heinrich Meyer ist als Kunschtmeyer oder auch als Goethemeyer bekannt.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Der 16-jährige Heinrich Meyer, Sohn des Kaufmanns und Zürcher Bürgers Johann Baptist Meyer, nimmt zunächst in seinem Geburtsort Zeichenunterricht.
Zwei Jahre später macht ihn Johann Caspar Füssli (1707- 1782), der Vater von Johann Heinrich Füssli, in Zürich mit dem Werk des deutschen Archäologen und Kunstschriftstellers Johann Joachim Winckelmann (1717 - 1768) bekannt. Dessen Geschichte der Kunst des Alterthums war 1764 in Dresden erschienen. Das Schöne im Kunstwerk zu verewigen, die edle Einfalt und stille Größe abzubilden, dieses Ideal Winckelmanns prägt den zurückhaltenden jungen Heinrich Meyer. Jenes Ideal steht fortan als Leitmotiv über Heinrich Meyers künstlerischem Streben und Schaffen. 1784 geht Heinrich Meyer als Künstler nach Rom und bringt sich in der deutschen Kolonie recht und schlecht durch. 1786 trifft er Goethe in Rom. Goethe imponiert das Wissen des reservierten Heinrich Meyer in den Kunstdingen der Alten. 1788 ist Heinrich Meyer als Zeichenlehrer in Neapel tätig und befreundet sich mit dem Maler Tischbein (1751 - 1829). In Neapel begegnet er der Weimarer Herzogin Anna Amalia (1739 - 1807) und Herder (1744 - 1803). In Venedig trifft er sich 1790 wiederum mit Goethe und geht 1791 nach Weimar. Heinrich Meyer bleibt bis an sein Lebensende - von gelegentlichen Reisen abgesehen - im thüringischen Herzogtum.

Bis 1802 wohnt er in Goethes Haus. Zunächst leitet er den Umbau des Wohnhauses im klassizistischen Stil. 1795 wird Heinrich Meyer Professor und 1806 Direktor des Weimarer Freien Zeicheninstituts. 1795 folgen zweijährige Kunststudien in Florenz und Rom. 1799 übernimmt er die raumgestalterische Leitung bei den Ausmalungen und Dekorationen im Weimarer Stadtschloss. 1798 bringt Heinrich Meyer zusammen mit Goethe die Kunstzeitschrift Propyläen als Nachfolgerin der 1795 von Schiller ins Leben gerufenen Horen heraus. Bis 1805 stellen Goethe und Heinrich Meyer in den Propyläen Preisaufgaben für bildende Künstler. Zum Beispiel 1802 gewinnen Ludwig Hummel und Johann Martin von Rohden, beide aus Kassel, den Preis zum vorgegebenen Thema "Perseus befreit Andromeda". 26 Künstler und Kunstliebhaber hatten sich beteiligt. Schadow (1764 - 1850) stichelt aus Berlin 1801 gegen die beiden Weimarer "Kunstrichter". 1802 werden Heinrich Meyer und Goethe von einem anonymen Rezensenten in der Leipziger "Zeitung für die elegante Welt" verhöhnt. Goethe ist außer sich. Anton Kippenberg (1874 - 1950) konnte 1925 Karoline Herder (die Gattin Herders) als die Rezensentin entanonymisieren. 1806 werden wegen der öffentlichen Demütigung die Preisaufgaben nicht mehr gestellt.

Im Januar 1803 heiratet Heinrich Meyer die elf Jahre jüngere Weimaranerin Amalie von Koppenfels. Das Paar lebt zunächst im Jena, kehrt aber nach Weimar zurück. Die Ehe bleibt kinderlos und soll glücklich gewesen sein. Amalie stirbt 1825. Heinrich Meyer heiratet nicht wieder.
1807 wird Heinrich Meyer Hofrat. Von 1809 bis 1815 schreibt er an seiner "Geschichte der Kunst", die 1974 postum erschien. 1824 bis 1836 erscheint in Dresden seine dreibändige "Geschichte der bildenden Kunst bei den Griechen". Natürlich lieferte Heinrich Meyer Beiträge zu Goethes groß angelegter Farbenlehre - z.B. zum Kolorit der alten Maler.

Goethe vertraut auf Heinrich Meyers Urteil als Kunstsachverständiger. Heinrich Meyer vermittelt, als sich Goethe 1808 mit dem Herzog wegen des Weimarer Hoftheaters streitet. Die Freundschaft mit Goethe hält bis zum Lebensende Heinrich Meyers, also 45 Jahre lang, vielleicht auch, weil sich der zurückgezogen einsam lebende, stille, ehrliche, fleißige, gute (Goethe in der Italienischen Reise) Freund immer als Diener verstand. Im Gegensatz zu Eckermann hatte Heinrich Meyers Dienen nichts mit Unterwürfigkeit zu tun. Goethe berichtet Heinrich Meyer und keinem anderen von dem Abschluss des Faust II noch am selben Tag.

[Bearbeiten] Porträt

  • 1833 Medaille (Angelica Facius fecit) auf seinen Tod. Die Medaille zeigt auf der Vorderseite die folgenden Lebensdaten: GEB. ZU STÄFA D. 16. MÄRZ 1659. GEST. ZU IENA D. 11. OCT. 1832

[Bearbeiten] W.K.F.

Ab 1804 erscheinen in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung kunstgeschichtliche Beiträge unter der Abkürzung W.K.F. Dahinter stehen die Weimarischen Kunstfreunde Goethe, Heinrich Meyer, Fernow (s. Liste bekannter Kunsthistoriker) und Friedrich August Wolf. 1805 erscheint Winckelmann und sein Jahrhundert. Ab 1816, als die mit W.K.F. signierten klassizistischen Aufsätze in Goethes Zeitschrift Ueber Kunst und Alterthum erscheinen, steht hinter der Chiffre allein Heinrich Meyer.

[Bearbeiten] Anekdote

Aus dem alten Weimar wird erzählt, Goethe habe bei schönem Wetter mit Heinrich Meyer ausgedehnte Spazierfahrten in die anmutige Weimarer Umgebung unternommen. Unterwegs hätten die beiden meist geschwiegen. Einmal aber habe Goethe plötzlich "Hm" von sich gegeben. Darauf habe der Begleiter "So ischt's" erwidert.

[Bearbeiten] Alias

Zur Herkunft des Namens Kunschtmeyer für Heinrich Meyer notieren Zeitgenossen:

  • Man setzte sich nach angewiesenen Plätzen zu Tisch. Der meinige war zwischen Oberbaurath Coudray und Hofrath Heinrich Meyer, bekannt bei den Künstlern unter dem Namen Kunschtmeyer, den ihm seine alemannisch-schweizerische Aussprache zugezogen.
    (Friedrich Christoph Förster (Schriftsteller, Historiker (1791 - 1868)) am 9. November 1825 zu Tisch bei Goethe)
  • Riemer vertrat die Philologie, Meyer die Kunstgeschichte und Eckermann entrollte sich als ein endloser Citatenknäuel für jedes beliebige Fach. Dazwischen lauschte er mit eingezogenem Athem den Worten des Meisters, die er wie Orakelsprüche sofort auswendig zu lernen schien. Meyer dagegen, den man wegen seiner schweizerischen Mundart den Kunschtmeyer nannte, verweilte auf dem Antlitze seines alten Jugendfreundes mit rührenden Blicken, die ebensoviel Zärtlichkeit wie Bewunderung ausdrückten. Das Gespräch verweilte besonders bei Italien und seinen Kunstschätzen. (Johann Karl Wilhelm Zahn (Berliner Maler, Kunsthistoriker und Architekt (1800 - 1871)) im September 1827 zu Tisch bei Goethe)

[Bearbeiten] Zeugnis

Goethes Sekretär Friedrich Theodor David Kräuter (1790 - 1856) erinnert sich: Abends besucht ihn gewöhnlich der Hofrath Meyer wo die Unterhaltung mit diesem biedern lakonischen Schweizer sich meist auf Kunstgegenstände bezieht (Pollmer).

[Bearbeiten] Selbstzeugnis

Heinrich Meyer gestand Friedrich von Müller im Gespräch eines der Geheimnisse seiner jahrzehntelangen Freundschaft mit Goethe: Ich habe mich aber nie vermessen, ihm [Goethe] meine Ansichten und Empfindungen aufdringen zu wollen (Grumach).

[Bearbeiten] Goethe über Heinrich Meyer

  • Ich freue mich Sie hier zu sehen, und wenn ich Ihnen gleich kein Quartier anbieten kann (der Schweizer Meyer, dessen Sie Sich aus Venedig erinnern bewohnt meinen obern Stock) so sollen Sie doch übrigens auf das freundlichste empfangen seyn; ich hoffe Zeit genug zu finden die wichtigen Angelegenheiten der fünf Sinne mit Ihnen abzuhandeln.
    (Brief Goethes an Johann Friedrich Reichardt vom 17. November 1791)
  • Bei Goethe, der sehr heiter war, traf ich einen interessanten jungen Amerikaner aus Boston, Namens Coxwell, der schon drei Jahre in Europa umhergereist war. Die Unterhaltung drehte sich lange um Lord Byron, den Goethe für den einzigen großen Dichter jetziger Zeit erklärte. "Wären wir zwanzig Jahre jünger", sprach Goethe zu Meyer, "so segelten wir noch nach Nordamerika." (Friedrich von Müller über ein Gespräch mit Goethe und Meyer am 10. Mai 1819)
  • Abends kam Hofrath Meyer. "Einer meiner ältesten Freunde", sagte Goethe, "dem ich in Beurtheilung von Kunstwerken viel zu verdanken habe". Hofrath Meyer, ein anspruchsloser Mann, der im Dialekte den gebornen Schweizer noch etwas verrieth, schien bei dieser Äußerung Goethes in Verlegenheit zu gerathen.
    (Joseph Sebastian Grüner (1780 - 1864) über ein Gespräch mit Goethe am 24. August 1823)
    .

[Bearbeiten] Literatur

Nach dem Erscheinungsjahr sortiert:

  • Arthur Pollmer: Aus dem Nachlaß Friedrich Theodor Kräuters. In: Jahrbuch der Sammlung Kippenberg. II, S.214ff. Leipzig 1922
  • Renate Grumach (Hrsg.): Kanzler Friedrich von Müller: Unterhaltungen mit Goethe. S.143. Weimar 1982
  • Eberhard Anger (Redakteur): Der Kunst-Brockhaus: Aktualisierte Taschenbuchausgabe in zehn Bänden. Bd.6, S.314. Mannheim 1987, ISBN 3-411-02936-6
  • Gero von Wilpert: Goethe-Lexikon. S.701 - 702. Stuttgart 1998, ISBN 3-520-40701-9
  • Jochen Klauß: Der "Kunschtmeyer". Johann Heinrich Meyer: Freund und Orakel Goethes. Weimar 2001, ISBN 3-7400-1114-9