Infinitesimalrechnung
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Die Infinitesimalrechnung ist eine von Leibniz und Newton unabhängig voneinander entwickelte Technik, um Differential- und Integralrechnung zu betreiben. Sie liefert eine Methode, eine Funktion auf beliebig kleinen (d. h. infinitesimalen) Abschnitten widerspruchsfrei zu beschreiben. Frühe Versuche, unendlich kleine Intervalle quantitativ zu fassen, waren an Widersprüchen und Teilungsparadoxien gescheitert.
Für die heutige Analysis, die mit Grenzwerten und nicht mit Infinitesimalzahlen arbeitet, wird der Begriff üblicherweise nicht verwendet.
[Bearbeiten] Geschichte der Infinitesimalrechnung
Wichtige Wegbereiter des Infinitesimalkalküls waren Rene Descartes und Bonaventura Cavalieri. Descartes entwickelte erstmals Methoden, bei der Lösung von geometrischen Problemen die Algebra bzw. arithmetische Operationen zu verwenden. Cavalieri erkannte, dass geometrische Figuren letztlich aus infinitesimalen Elementen zusammengesetzt sind.
Gottfried Wilhelm Leibniz entwickelte in den siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts die Methode der Differenzen. Er verstand eine Kurve als ein Unendlicheck, so dass eine Tangente letztlich die Kurve in einer unendlich kleinen Strecke schneiden musste. Unter diesem unendlich kleinen Tangentenabschnitt ergibt sich ein infinitesimales Steigungsdreieck, bei dem die Differenzen der Funktionenwerte die Steigung der Tangente bestimmen.
Leibniz erkannte auch, dass die Flächenberechnung unter einer Kurve die inverse Operation zur Differenzenbildung ist - mit anderen Worten: die Integralrechnung ist der Gegensatz (wie Minus und Plus) der Differentialrechnung bzw. das Problem der Flächenberechnung ist das inverse Tangentenproblem. Hier bestimmte Leibniz die Fläche unter einer Kurve als Summe unendlich schmaler Rechtecke.
Etwa gleichzeitig mit Leibniz entwickelte auch der englische Naturwissenschaftler Sir Isaac Newton ein Prinzip der Infinitesimalrechnung. Er betrachtete jedoch Kurven und Linien nicht im Sinne Cavalieris als Aneinanderreihung unendlich vieler Punkte, sondern als Resultat stetiger Bewegung. Er benannte eine vergrößerte oder fließende Größe als Fluente, die Geschwindigkeit der Vergrößerung bzw. Bewegung als Fluxion und o als ein unendlich kleines Zeitintervall. Damit konnte er aus der Länge einer durchlaufenen Strecke die Geschwindigkeit der Bewegung bestimmen (also die Ableitung berechnen) und umgekehrt aus einer gegebenen Geschwindigkeit die Länge der Strecke berechnen (also die Stammfunktion erstellen).
Bei Newton wurden also Flächen nicht als Summe infinitesimaler Teilflächen bestimmt, sondern der Begriff des Ableitens ins Zentrum gestellt. So konnte er recht überschauliche Regeln für den Alltagsgebrauch herleiten. Sein Konzept hatte im Vergleich zu Leibniz jedoch einige begriffliche Ungenauigkeiten.
Leibniz betrachtete eine Kurve, indem er das Steigungsdreieck anlegt und so auf die Tangente kommt. Newton dagegen betrachtete die Bewegung eines Punktes in der Zeit, lässt das Zeitintervall unendlich klein werden, so dass auch der Bewegungszuwachs verschwindet und hatte so die Möglichkeit, die Ableitung, also die Steigung in einem Punkt zu errechnen.
Leibniz veröffentlichte seinen Kalkül 1684, woraufhin Newton 1687 folgte, doch setzte sich das Leibnizsche Zeichensystem wegen seiner eleganten Schreibweise und der einfacheren Rechnungen durch. Leibniz wurde später von Anhängern Newtons angegriffen, er habe die Ideen von Newton aus einem Briefwechsel der beiden von 1676 gestohlen. Dies führte zu einer Plagiatsklage, die 1712 von einer Kommission der Royal Society of London untersucht wurde. Die Kommission, von Newton beeinflusst, sprach Leibniz fälschlicherweise schuldig. Dieser Streit belastete dann jahrzehntelang das Verhältnis zwischen englischen und kontinentalen Mathematikern.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- C. H. Edwards Jr.: The Historical Development of the Calculus. Springer, New York 1979
- H. Kaiser/W. Nöbauer: Geschichte der Mathematik. Oldenbourg, 2003, S. 202-263.
- M. Kordos: Streifzüge durch die Mathematikgeschichte. 1999.
- K. Volkert: Geschichte der Analysis. Mannheim 1988.