Benutzer:JensG

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

[Bearbeiten] Klassiker der deutschen Literatur - heute: Wilhelm Raabe Stopfkuchen

Da redete Gott mit Noah und sprach:
Gehe aus dem Kasten.

Und als ich den Dicken darob wirklich nicht ganz ohne Verwunderung ansah, lächelte dieser behaglichste aller Lehnstuhlmenschen überlegen und sprach:

Typische Folgen der Lektüre
Typische Folgen der Lektüre

»Weil ihr ein bißchen mehr in die Welt hinein euch die Füße vertreten habt, meint ihr selbstverständlich, daß ich ganz und gar im Kasten sitzengeblieben sei. Ne, ne, lieber Eduard, es ist wirklich mein Lebensmotto: Gehe heraus aus dem Kasten!« Ich würde einiges zu erwidern gehabt haben, aber er ließ mich wahrlich wiederum nicht zum Worte, sondern fuhr fort:
»Was sagst du aber schon hier draußen zu den kleinen Verschönerungen, die ich an Tinchen Quakatzens Erbsitz vorgenommen habe? Hier auswendig am Hause, meine ich. Nicht wahr, hell und freundlich - alles, was Pinsel und Farbentopf in dieser Hinsicht ins Erheiternde zu tun vermochten!«
Er hatte gewiß nicht nötig, mich noch besonders aufmerksam zu machen.Die Verschönerungen mußten jedem, der die "Mördergrube" auf der Roten Schanze ehedem in ihrer ärgsten Verwahrlosung gekannt hatte, auffallen.
»Sieh mal«, sagte Stopfkuchen, »auf den Noahkasten habe ich dich bereits aufmerksam gemacht; jetzt schüttle einmal in deiner Phantasie eine deiner anderen Weihnachtsschachteln aus. Dorf oder Stadt - steht auf dem Deckel derjenigen, die ich meine. Kippe dreist um auf den Tisch und suche mir mein Weihnachtsmusterhaus heraus! Was? Hast du's? Schön himmelblau die Mauern, schön zinnoberrot das Dach, Fenster und Tür kohlpechrabenschwarz, nur der Schornstein schön weiß. Es gibt auch nette Paläste, Häuser und Hütten in anderen Farben in der Schachtel, aber ich habe Tinchens wegen ein helles Himmelblau gewählt. Dem sieht hoffentlich niemand mehr Kienbaums Blut ab, sondern es sagt höchstens dann und wann jemand: ›Dieser alte Schaumann auf der Roten Schanze ist doch ein ganz verrückter Hahn, und es ist nur zu hoffen, daß ihn seine brave Frau fest unter ihre Kuratel hält‹.«
Die brave Frau auf dem Hausflur wendete sich auf dieses letzte Wort um und sagte lächelnd:
»Heinrich, ich bitte dich, vor diesem deinem Freunde brauchst du dich doch nicht ganz so närrisch wie vor den anderen anzustellen.«
[…]


In der nächsten Episode möchten wir uns anhand eines weiteren ausgewählten Textauszugs dem Werk Aus dem Leben eines Taugenichts von Joseph Freiherr von Eichendorff nähern.


Hinweis: Dieser Text ist gemäß §64 UrhG [D] bzw. Art. 29 URG [CH] bzw. §60 UrhG [A] urheberrechtsfrei, da der Autor vor mehr als 70 Jahren verstorben ist.