Judith Hermann

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Judith Hermann (2007)
Judith Hermann (2007)

Judith Hermann (* 15. Mai 1970 in Berlin) ist eine deutsche Schriftstellerin.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

Judith Hermann wurde am 15. Mai 1970 im St. Joseph-Krankenhaus in Berlin-Tempelhof geboren. Sie begann ein Germanistik- und Philosophie-Studium mit der Absicht, im Anschluss als Journalistin zu arbeiten. Sie brach dieses ab und entschied sich für ein Praktikum in New York. Dort besuchte sie die Journalistenschule. 1997 nahm sie an der Autorenwerkstatt Prosa im Literarischen Colloquium Berlin teil; im gleichen Jahr erhielt sie das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste in Berlin. In Amerika schrieb sie ihre ersten literarischen Texte und entdeckte bald die Kurzgeschichte als „ihr“ Genre. 1998 veröffentlichte sie schließlich ihren ersten Prosaband Sommerhaus, später.

Nach ihrem ersten Erfolg verstrichen mehrere Jahre, in denen sie – nach eigener Aussage – lernen musste, mit dem Druck, der nun durch Verlage, die Medien und die Öffentlichkeit in Form eines erwartungsvollen Publikums auf sie ausgeübt wurde, umzugehen. 2003 folgte der zweite Erzählungsband Nichts als Gespenster.

Judith Hermann ist Mutter eines Sohnes und lebt und schreibt in Berlin-Prenzlauer Berg.

[Bearbeiten] Sommerhaus, später, 1998

Hermann gelang der literarische Durchbruch mit ihrer Erstpublikation, dem Erzählungsband Sommerhaus, später. Gelobt wurden dabei ihre in kurzen Sätzen gehaltenen, doch trotzdem unschlüssig bleibenden Schilderungen alltäglicher und scheinbar alltäglicher Begebenheiten. Hermann skizziert in ihren melancholisch gefärbten kurzen Erzählungen die Stimmungen der Personen und die feinen Nuancen in wenigen Worten. Durch dieses Verfahren wirken ihre Erzählungen sehr atmosphärisch und aufgeladen, zugleich vermeidet Hermann es, große Gefühle direkt auszusprechen oder klar zu benennen. Diese Technik hat ihre direktesten Vorfahren in den Storys des amerikanischen Schriftstellers Raymond Carver, auf den Hermann sich in Interviews und Preisreden immer wieder bezogen hat.

[Bearbeiten] Rezeption von Sommerhaus, später

Sommerhaus, später wurde von der Kritik enthusiastisch aufgenommen. Vor allem zeigten die Feuilletons sich davon begeistert, dass es Hermann gelang, in ihren Erzählungen das Lebensgefühl ihrer Generation, der Ende der Neunziger in Berlin lebenden Künstler-Studenten-Arbeitslosen-Boheme, darzustellen. Am prägnantesten schrieb der Kritiker Hellmuth Karasek zu Hermanns Erzählungen, sie verkörperten „den Sound einer Generation“.

Neben diesem Generationen-Effekt wurde ebenfalls konstatiert und an Hermann festgemacht, dass erstmals in der deutschsprachigen Literatur Frauen mit ganz eigenen Texten selbstbewusst aus ihrer Welt heraus erzählen würden, ohne dies als emanzipatorische oder gender-kämpferische Literatur verstanden wissen zu wollen. Hermann wurde zur Galionsfigur einer vom Feuilleton ausgerufenen „Fräuleinwunder“-Literatur gemacht, zu der auch Erzählerinnen wie Jenny Erpenbeck, Felicitas Hoppe, Zoe Jenny, Juli Zeh oder Julia Franck gezählt wurden. Gemeint war damit das als bestaunenswert angesehene „Phänomen“, das auch das „schöne Geschlecht“ souverän mit Marketingstrategien und Trends umgehen konnte.

Mit über 250.000 verkauften Exemplaren und Übersetzungen in 17 Sprachen ist Sommerhaus, später einer der größten deutschen Bucherfolge der letzten Jahre.

[Bearbeiten] Auswirkungen auf die junge Gegenwartsliteratur

Im Gefolge von Hermanns handlungsarmen, lakonischen, aufgeladenen Kurzgeschichten kam es zu einer Renaissance der Kurzgeschichte in Deutschland. Bis etwa 2002 oder 2003 wurden zahlreiche an Hermann erinnernde Erzählbände zumeist weiblicher Autorinnen veröffentlicht. Diese Autorinnen, etwa Ariane Grundies, Mariana Leky oder Ricarda Junge, die häufig Absolventinnen des Deutsches Literaturinstitut Leipzig oder des Studiengangs „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ der Universität Hildesheim waren, konnten qualitativ jedoch nur selten an ihr Vorbild heranreichen. Der Unmut in der Literaturkritik über die gleichförmig-lakonischen Berlin-Mitte-Geschichten wuchs.

[Bearbeiten] Nichts als Gespenster, 2003

Hermanns zweiter Erzählband, Nichts als Gespenster von 2003, entstand auch unter dem Druck, den Erwartungen des Feuilletons und der Leser nachzukommen und zugleich nicht selbst zum Epigonen des Erstlings-Werkes zu werden. Sie schrieb für diesen Erzählband deutlich längere Erzählungen, die in aller Welt spielen. Dies einerseits, um sich dem Klischee der 'Berlin-Literatin' zu entziehen, dabei ließ sie sich von den Reisen inspirieren, die sie für das Goethe-Institut nach Tromsø, Venedig und Island unternahm. Von der Kritik und vom Publikum wurde Nichts als Gespenster bei weitem nicht so enthusiastisch wie der Erstling aufgenommen. Von der Literaturwissenschaft wird der Band der Popliteratur zugeordnet.

[Bearbeiten] Auszeichnungen und Preise

Für ihre Veröffentlichungen hat Hermann einige Auszeichnungen erhalten: 1999 wurde sie mit dem Bremer Literaturförderpreis ausgezeichnet. Für Sommerhaus, später erhielt sie 1999 den Hugo-Ball-Förderpreis sowie 2001 den Kleist-Preis.

[Bearbeiten] Werke

Judith Hermanns Werke wurden u. a. in das Dänische, Englische, Französische, Griechische, Isländische, Italienische, Japanische, Lettische, Niederländische, Norwegische, Polnische, Russische, Schwedische, Serbokroatische, Slowenische, Spanische, Tschechische, Türkische und Ukrainische übersetzt.

[Bearbeiten] Verfilmungen

  • Eisblumenfarm (nach der Erzählung Sommerhaus, später)
Kurzfilm von Dominik Betz (2004); mit Philip Hellmann, Sara Hilliger, Gunnar Solka
  • Freundinnen
Kurzfilm von Tobias Stille (2005); mit Anneke Kim Sarnau, Regina Stötzel, Murat Yilmaz
Drama von Martin Gypkens (2007); mit August Diehl, Chiara Schoras, Fritzi Haberlandt, Janek Rieke, Stipe Erceg, Maria Simon, Christine Schorn, Walter Kreye, Ina Weisse, Wotan Wilke Möhring, Jessica Schwarz u. v. a.

[Bearbeiten] Literatur

  • Iris Radisch: Berliner Jugendstil. In: Die Zeit. Nr. 06/2003 (Portrait von Judith Hermann).
  • Günter Kaindlstorfer: Tom Waits am Prenzlauer Berg. In: Format. 21. Dezember 1998 (Portrait von Judith Hermann).
  • Christoph Baldes: Fremdwahrnehmung in Judith Hermanns „Nichts als Gespenster“. Trier 2004 (PDF; 0,2 MB ; Stand: 13. April 2007).
  • Vera Klopprogge: Wie lebendig ist die Popliteratur um die Jahrtausendwende?. University of Waterloo, Waterloo 2005 (PDF; 0,5 MB; Stand: 13. April 2007; Judith Hermanns Nichts als Gespenster in Gegenüberstellung zu Christian Krachts Faserland; Magisterarbeit).
  • Daniel Schnorbusch: Rhythmus in der Prosa. Zu den rhythmischen Eigenschaften deutscher Kunstprosa am Beispiel der Erzählung „Rote Korallen“ von Judith Hermann. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. Nr. 141, Metzler, Stuttgart 2006, S. 120–158.

[Bearbeiten] Weblinks