Homosexualität in der Türkei
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Homosexualität ist in der Türkei ein gesellschaftlich kontroverses Thema. Zwar gehört die Türkei innerhalb der islamisch geprägten Staaten zu den toleranteren und ist säkular geprägt; gleichwohl ist Homosexualität gesellschaftlich nicht annähernd so akzeptiert wie in Nord- oder Westeuropa.
Weit anerkannter als in Nord- oder Westeuropa ist in der Türkei dagegen Transsexualität. Beispielsweise sind einige der anerkanntesten türkischen Showstars Transsexuelle.
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[Bearbeiten] Legalität
Homosexualität ist in der Türkei legal. Schon im Osmanischen Reich standen gleichgeschlechtliche Handlungen nicht unter Strafe und da nach der Gründung der Türkischen Republik der Code Napoleon übernommen wurde, blieb es dabei.[1][2] Das Schutzalter ist einheitlich auf 18 Jahre angeglichen. LGBTT-Aktivisten werden immer wieder mit Gummiparagrafen bedroht.
Das türkische Militär sieht Homosexualität als „psychosexuelle Störung“ und homosexuelle Männer werden theoretisch nicht zum 15 Monate dauernden Militärdienst zugelassen oder bei Bekanntwerden davon ausgeschlossen. Faktisch ist aber Nachweis oft nur unter erschwerten Umständen möglich. In vielen Fällen etwa fordern die Militärärzte Fotos oder Videoaufnahmen des Bewerbers beim Sexualverkehr, wobei aber dann nur der „passive“ Sexualpartner als homosexuell gilt. Auch zieht so ein Attest Folgen im weiteren Leben nach sich, etwa bei der Einstellung im Staatsdienst.[3][4]
[Bearbeiten] Antidiskriminierungsgesetze
Antidiskriminierungsgesetze bestehen nicht.
[Bearbeiten] Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften
Homosexuelle Paare werden staatlich nicht anerkannt.
[Bearbeiten] Gesellschaftliche Situation
In der Türkei sind die zwei bedeutendsten LGBTT-Organisationen Lambda Istanbul, die sich 1993 in Istanbul und KAOS GL, die sich 1994 in Ankara gründeten. Weitere LGBTT-Organisationen entstanden in den folgenden Jahren wie Pink Triangle Group in Izmir und die Rainbow Group in Antalya. 2003 fand die erste Demonstration für die Rechte homosexueller Menschen in der Geschichte der Türkei auf der İstiklal Caddesi in Istanbul statt, die von der Organisation Lambda Istanbul organisiert wurde. Eine LGBT Community findet sich vorrangig in Istanbul (Dokumentarfilm: Das andere Istanbul) sowie in geringerem Umfang in Ankara, Antalya und Izmir. Insbesondere in ländlichen Regionen in der Türkei gilt Homosexualität als Tabuthema.[5]
2005 verhinderte ein Gericht das Verbot der Gruppe Kaos GL mit der Begründung, dass Homosexualität nicht gegen die Moralgesetze verstoße.[6] Der Bürgermeister von Istanbul, Kadir Topbaş, will die Gruppe Lambda Istambul schließen lassen, da der Verein weder mit der „allgemeinen Moral“, noch mit „türkischen familiären Werten“ vereinbar sei.[3] Im Mai 2008 verbot das Oberste Berufungsgericht in Ankara die Gruppe. [7] Begründet wurde dies unter anderem damit, dass die Gruppe gegen Artikel 41 der türkischen Verfassung verstoße, der „den Frieden und das Wohlergehen der Familie“ als Staatsziel festschreibe.[6] Bis 2008 nahm der Abgeordnete Zafer Üskül von der der AKP als einziger die Einladung zu einem Kongress an und wurde danach von der islamistischen Presse als „Anwalt der Perversen“ dargestellt.[3][2]
Trotzdem es anerkannte transgender, transsexuelle und schwule Showstars gibt die teilweise geradezu angehimmelt werden, sind gewaltätige transphobe und homophobe Übergiffe sowie Erpressungen durch die Polizei oder durch Bürger nicht selten. In einer bisher nicht veröffentlichten Untersuchung des Justizministeriums aus der Zeit vor 2003 berichteten 37 % aller befragten Schwulen und Lesben von physischer Gewalt gegen sie sowie 89 % aller befragten Transvestiten und Transsexuellen. Teilweise werden Treffpunkte von Schwulen durch organisierte Banden regelrecht observiert. Diese gehören vor allem 3 Gruppen an. Erstens gibt es muslimische Fundamentalisten, die es für eine gottgefällige Tat halten, zweitens jugendliche Nationalisten, den von Organisationen erzählt wird, dass sScwule reich und dekadent seien, und drittens professionelle Kriminelle, denen es nur um eine leichte Beute geht. Besonders bei Lesben beginnt der Druck in der Familie, wenn sie sich weigern zu heiraten. Das geht von psychischen Druck bis hin zu massiven Drohungen und Ehrenmorden. Unterstützung durch die Staatsmacht ist in diesen Fällen selten zu erwarten.[3][2]
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Constanze Letsch: Post aus Istanbul - Regenbogen überm Taksimplatz, perlentaucher.de, 30. August 2007
- ↑ a b c Jürgen Gottschlich: Homosexualität in der Türkei - Der lange Weg zur Toleranz, taz.de, 28. Mai 2008
- ↑ a b c d Gewalt gegen Homosexuelle in der Türkei, Deutschlanddfunk, 29. Mai 2008
- ↑ Johanna Lühr: draußen Dann bist du, Tagesspiegel, 4. Mai 2008
- ↑ Dorte Huneke: Schwul in Istambul - Homosexuelle führen ein Doppelleben, Der Spiegel - Unispiegel, 26. Oktober 2007
- ↑ a b Türkei verbietet Homo-Gruppe, queer.de, 30. Mai 2008
- ↑ Zeit: Der rosa Halbmond