Geschichte der Tschechoslowakei
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Die Geschichte der Tschechoslowakei behandelt die Geschichte des historischen Staates der Tschechoslowakei. Dieser Staat existierte mit einer Unterbrechung zwischen 1918 und 1993.
Im Folgenden wird Tschechien als Abkürzung für den tschechischen Teilstaat verwendet und Slowakei für den slowakischen Teilstaat. [1]
Die Geschichte der Tschechoslowakei begann im Ersten Weltkrieg. Den tschechischen und slowakischen Persönlichkeiten Tomáš Garrigue Masaryk, Edvard Beneš und Milan Rastislav Štefánik gelang es, Unterstützung der Alliierten im September 1918 für den 1916 gegründeten Tschecho-slowakischen Nationalrat zu gewinnen. Es handelte sich bei dem Nationalrat um eine Art provisorische Regierung. Tschechoslowakische Truppen kämpften 1918 an der Seite der Alliierten.
Die Konstituierung vollzog sich zwar erst 1918, doch gab es im Vorhinein Schritte und Ereignisse, die dazu führten, wie zum Beispiel die Petition an Kaiser Ferdinand I. oder der nationale Funke der Paulskirche.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Vorgeschichte
[Bearbeiten] Petition an Kaiser Ferdinand I.
Im aufgeheizten Europa des Jahres 1848 kam am 11. März der Reappeal-Club, ein Geheimbund, der sich an den Befreiungskampf der Iren gegen die Engländer orientierte, in Prag zusammen und wählte auf dieser Versammlung einen Ausschuss (St. Wenzelsbad-Ausschuss), bestehend aus 28 Personen. Dieser Ausschuss tagte am nächsten Tag im Altstädter Rathaus. Auf dieser Tagung wurde der Rechtsanwalt Adolf Maria Pinkas damit beauftragt, eine Petition an den Kaiser zu erstellen. Der Kern der Petition, die am 19. März durch eine böhmische Abordnung nach Wien geschickt wurde, bestand aus der Nationalitätenfrage. Gefordert wurde die „Gleichstellung der böhmischen Nationalität mit der deutschen in sämtlichen böhmischen Ländern in Schulen und Ämtern“. Außerdem sollten sich „die böhmischen Länder wieder administrativ vereinigen und der Konstituierung eines gemeinsamen böhmischen Landtags zustimmen.“ Nicht expressiv erwähnt, sondern unterschwellig beigemischt, war die Berufung auf die Wenzelskrone, genauer gesagt auf das geschichtliche Staatsrecht der Wenzelkrone. Es sollte somit das böhmische Königreich wiederhergestellt werden, wie es vor der Niederlage am Weißen Berg existierte.
Der Kaiser ließ der Delegation ein Schreiben zukommen, in dem er zwar den Böhmen Zugeständnisse machte, aber ansonsten auf eine zukünftige Verfassung für die ganze Monarchie verwies. Die Delegation kehrte ohne konkret Brauchbares nach Böhmen zurück. Die Existenz der österreichischen Monarchie wurde in der Petition nicht explizit in Frage gestellt, aber dennoch beinhaltete das Kernelement des Schreibens eine Brisanz.
[Bearbeiten] Nationaler Funke der Paulskirche
Am 31. März 1848 traf sich in der Frankfurter Paulskirche ein Vorparlament, um unter anderem Wahlen für eine Deutsche Nationalversammlung vorzubereiten.
Preußen war zu dieser Zeit die gesellschaftlich und wirtschaftlich aufstrebende Macht, da sie sich neuen Ideen öffnete, während im Habsburgerreich reaktionäre Kräfte ein Voranschreiten behinderten. Außerdem waren die weit nach Osten reichenden Gebiete stark rückständig und dadurch eher eine Last als eine Antriebskraft. Das österreichische Kaisertum war lediglich im Kerngebiet sprachlich einheitlich. Die Gebiete um das Kernland herum waren sprachlich heterogen. Zum Beispiel nannten um 1850 in Böhmen mehr als sechzig, in Mähren rund siebzig Prozent und in Österreich-Schlesien etwa zwanzig Prozent Tschechisch als ihre Muttersprache, in den böhmischen Ländern lebten damals 6,6 Millionen Menschen. Doch die unterschiedlichen Sprachen hatten in der alten Monarchie keine Bedeutung, da die Grenzen der Gesellschaft sich nicht nach den nationalen Identitäten, sondern nach „Stand, Religion und Besitz“ orientierten. Der Adel, die Beamtenschaft, der Klerus und das wohlhabende Bürgertum sowie die militärische Führungsschicht waren diejenigen, welche sich die Macht untereinander aufteilten. Die Wiener Umgebung (Niederösterreich) war mehrheitlich deutsch dominiert, sodass die deutsche Komponente in der Monarchie die Führungsposition inne hatte. Insgesamt betrachtet, war das Habsburgerreich national unbestimmt.
Das nationale Gedankengut, welches die Wahl zur Deutschen Nationalversammlung hervorrief, gelangte auch nach Böhmen. Während die Deutschen weitestgehend eine potentielle Einigung Deutschlands befürworteten, hatten die Tschechen Bedenken, in einem deutschen „Meer“ unterzugehen, auch wenn dieses eine freiheitliche Verfassung hätte.
Aufgrund der nun auftretenden Differenzen hatte auch die Idee des Bohemismus von Bernard Bolzano von der Verschmelzung Böhmens zu einer Nation keine Chance. Der Bohemismus wurde zwischen dem deutschen und dem erblühenden tschechischen Nationalismus zerrieben. Der aufstrebende tschechische Nationalismus richtete sich nun nicht mehr ausschließlich an einer gemeinsamen Sprache und Kultur, sondern auch am immer stärker werdenden deutschen Feindbild. Kennzeichnend hierfür ist der Ausspruch „Svúj k svému“, was bedeutet „Jeder zu den Seinen“. Der Nationalismus der böhmischen Deutschen äußerte sich unter anderem dadurch, dass sie die Tschechen als nicht gleichwertig und folglich auch als nicht gleichberechtigt ansahen. Der tschechische Nationalismus äußerte sich beispielsweise in der Gründung der Národní noviny (Nationalzeitung). Der Autor Karel Havlíček Borovský vertrat in der Národní noviny die Auffassung, dass es zwar eine Gleichberechtigung zwischen Deutschen und Tschechen in Ämtern und Schulen geben könne, doch die Tschechen seien die „Erstgeborenen“ und somit müssten die Aufschriften an Läden und öffentlichen Gebäuden auf tschechisch sein, was bedeute, dass die deutsche Aufschrift entfernt werden müsse. Dieser Artikel trug nichts zu einer Entspannung der Situation bei, sondern ist Ausdruck des tschechischen Nationalismus.
František Palacký hatte in der Zeit von 1836 bis 1867 das fünfbändige Werk Geschichte von Böhmen verfasst, das zur Basis tschechischer Historienschreibung und relevant für das Nationalbewusstsein wurde. Auf dieser Grundlage kam Havlíček zu der Meinung: „Unsere gesamte Geschichte ist ein unablässiger Kampf gegen die Deutschen.“
Eine zweite Abordnung mit einer weiteren Petition wurde nach Wien gesandt. Da in Wien die Revolution herrschte und die Revolutionäre zunächst militärische Erfolge einfuhren, sah sich die österreichische Obrigkeit genötigt, auf Zeit zu spielen und sicherten in der „böhmischen Charte“ vom 1. April 1848 die politische Gleichstellung zu. Dies jedoch verärgerte die Deutschböhmen so sehr, dass sie sich im „Verein der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien zur Aufrechterhaltung ihrer Nationalität“ organisierten. Letztendlich brachte auch diese Petition den Böhmen nichts konkretes ein.
Der St. Wenzelsbad-Ausschuss kam erneut am 10. April 1848 zusammen und wurde umgewandelt zum Národní výbor (Nationalausschuss). Die Kernaufgabe des Národní výbor bestand in der Ausarbeitung einer Verfassung für die böhmischen Länder. Der Nationalausschuss war also das Gegenstück zum Paulskirchenparlament. Der Entwurf der Verfassung sollte rasch ausgearbeitet sein, damit er als Fact bereits beim Auftakt des Wiener Reichstages vorhanden sei. Doch zunächst scheiterte die gesamt-böhmische Lösung daran, dass die Repräsentanten aus Österreichisch-Schlesien sowie die aus Mähren erklärten, sie wollen ihre Entscheidungen autonom treffen.
Auf dem am 2. Juni von Palacký und Pavel Josef Šafařík in Prag initiierten Slawenkongress, waren die Teilnehmer sich darüber einig, im Gegenentwurf zur Frankfurter Nationalversammlung einen eigenständigen slawischen Weg zu beschreiten. Der tschechische Weg stand im Gegensatz zur politischen Situation im Habsburgerreich und zum Frankfurter Verfassungskonvent, das von einem Einheitsstaat träumte. Palacký verlangte, dass das Kaiserreich in einem „Bund von gleichberechtigten Völkern“ umzustrukturieren sei. Die Gedanken des Slawenkongresses gelangten auch auf die Prager Straßen, wo es zu Gewaltakten kam, als Prager Demonstranten protestierend durch die Gassen zogen. Bei dem Pfingstaufstand kam es zu Auseinandersetzungen zwischen tschechischen Arbeitern und Studenten mit den in Prag stationierten österreichischen Soldaten. Die Demonstranten forderten eine härtere Gangart als Palacký sie artikulierte. Es war das erste mal, dass es auch zu Ausschreitungen gegenüber den in Prag lebenden Deutschen kam.
[Bearbeiten] Kremsierer Reichstage und Zentrum Prag
Während des Oktoberaufstandes in Wien wurde das Parlament nach Kremsier verlegt. Das Gros der tschechischen Abgeordneten war dem Befehl des Kaisers gefolgt. Auf den Kremsierer Reichstagen verständigten sich die Delegierten auf einen Verfassungsentwurf. Dieser Entwurf sah die fast vollständige autonome Verwaltung der einzelnen Völker vor, wobei er jedoch die monarchische Basis nur geringfügig beschnitt. Der 19. Kremsier-Paragraph der Verfassung lautete: „Alle Völker sind gleichberechtigt.“ Doch hatten in der Zwischenzeit die reaktionären österreichischen Regierungskräfte wieder die Oberhand über die aufständischen Revolutionäre gewonnen: Der Prager Pfingstaufstand wurde niedergeschlagen, der Oktoberaufstand in Wien und der ungarische Freiheitskampf neigten sich dem Ende zu. Die Regierung sah es also nicht mehr als notwendig an, auf die Parlamentarier einzugehen. So lösten österreichische Soldaten den Reichstag am 7. März 1849 auf. Am 2. Dezember 1848 hatte unterdes Ferdinand I. sein Amt niedergelegt.
Sein achtzehnjähriger Neffe Franz Joseph übernahm nun die Regentschaft. Er war an keinerlei Versprechungen gebunden. In der Märzverfassung blieb das zentralistische System weiterhin festgeschrieben. Das Nationalitätenproblem blieb trotz der entstandenen Differenzen unberücksichtigt.
Die Frankfurter Nationalversammlung war erfolglos gewesen. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. hatte die ihm vom Paulskirchenparlament angebotene Kaiserkrone nicht angenommen. Somit meinte die Habsburger Regierung, sie müsse auf die Emotionen der Nationen nicht mehr sonderlich achten. Nach 1848 wurde Prag zum Mittelpunkt der Tschechen, obwohl sich zwei Drittel der dort lebenden Einwohner als Deutsche deklarierten. Im Kern der Stadt wohnten überwiegend Deutsche, während in der Peripherie die Tschechen lebten.
[Bearbeiten] Solferino und Königgrätz
Nach der verlorenen Schlacht am 24. Juni 1859 bei Solferino gegen die Bündispartner Frankreich und Italien (Italien strebte die nationale Einigung an), stand die außenpolitische Lage schlecht für die Habsburgermonarchie. In der Folge öffnete sich Franz Joseph I. innenpolitischen Reformen, um die innere Stabilität des Reiches zu gewährleisten.
Nach der Schlacht von Königgrätz von 3. Juli 1866 übernahm Preußen die Hegemonie im Deutschen Reich. „Mit Eisen und Blut“ hatte Preußen die kleindeutsche Lösung herbeigeführt. Die Tschechen hielten jedoch der Habsburger Monarchie die Treue. Palacký und František Ladislav Rieger boten eine „unverbrüchliche Treue der Tschechen zum Haus Habsburg“ an. Im Gegenzug verlangten sie „eine Föderalisierung der Monarchie.“ Im österreich-ungarische Ausgleich von 1867 wurde das Habsburger Territorium geteilt in Transleithanien und in Zisleithanien.
Es konstituierte sich mit der k.u.k. Monarchie ein kompliziertes und verworrenes Gebilde, das schwierig zu regieren war. Die Tschechen fühlten sich um ihren Ausgleich betrogen. Sie meinten, ihnen müssten die gleichen Rechte wie den Ungarn zukommen. Jedoch gingen die Regierungen in Wien und in Ungarn nicht auf die tschechischen Forderungen ein. Franz Joseph ließ sich auch nicht zum böhmischen König krönen, aus Angst die Tschechen könnten dies als staatsrechtliche Anerkennung deuten. Von diesen Umständen in ihrem Stolz verletzt, erfuhr der tschechische Nationalismus eine weitere Verschärfung. 1867 reisten die leitenden Politiker Palacký und Rieger nicht zum Reichsrat, sondern fuhren zu einer „ethnographischen Ausstellung“ nach Moskau, auf der russische Gelehrte den Panslawismus propagierten. Sie meinten, der Panslawismus sei die Lösung des tschechischen Dilemmas.
[Bearbeiten] Wirtschaftsaufschwung
In den 1890er Jahren gab es einen wirtschaftlichen Aufschwung in der Habsburger Monarchie. Das wirtschaftliche Zentrum der Habsburger Monarchie waren die böhmischen Länder. Viele Tschechen erlebten nun eine Verbesserung ihres Lebensstandards. Dadurch emanzipierten die Tschechen sich von der deutschen Bevölkerung, was diese trotz ihrer nach wie vor hegemonialen Stellung als Bedrohung sahen.
[Bearbeiten] Eduard Taaffe
Der österreichische Ministerpräsident Eduard Taaffe erließ am 19. April 1880 Sprachverordnungen. Diese Sprachverordnungen besagten, dass Tschechisch neben Deutsch auch in Territorien Amtssprache wurde wo die Bevölkerung in ihrer Majorität deutsch war. Des Weiteren änderte Taaffe das Wahlrecht. Die Wahlrechtssteuer wurde von zehn auf fünf Gulden heruntergesetzt. Somit erhielten die Tschechen die Mehrheit im böhmischen Landtag, womit die Tschechen die Vorherrschaft in den böhmischen Ländern erreicht hatten, obwohl die k.u.k. Monarchie insgesamt deutsch-ungarisch dominiert wurde.
[Bearbeiten] Jungtschechen
Ab den 1880er Jahren erwuchs auf tschechischer wie auf deutscher Seite eine neue Generation, die nun immer mehr auf einen Konfrontationskurs setzte. Die Jungtschechen (Mladočeši), eine am 27. Dezember 1874 gegründete Partei, hatten bei den Wahlen 1889 sowie 1891 die Majorität. Die Wähler wollten die stärkste Selbständigkeit erreichen und strebten nicht mehr nach einem deutsch-tschechischen Ausgleich, den die konservativen Alttschechen suchten. Die Wählerschaft fand nun ihre Forderungen im Programm der Jungtschechen.
[Bearbeiten] Erster Weltkrieg
Die Tschechen sahen die enge Kooperation Wiens mit Berlin mit Besorgnis.Sie fürchteten, bei einem Sieg der Mittelmächte würden sich Österreich und Deutschland vereinigen, womit sich die deutsche Dominanz wieder ausbreiten und die Tschechen somit ihre nationale Identität verlieren würden.
Der tschechische Gelehrte und Politiker Tomáš Garrigue Masaryk ging 1914 ins Exil und versuchte von außen ein Netzwerk aufzubauen, um die Konstituierung eines autonomen tschecho-slowakischen Staates zu erzielen. Er hatte die Utopie von einem selbstständigen Staat, der sich am Westen orientiert und seinen Platz im neu geordneten Europa einnimmt. Für ihn barg der Krieg die Möglichkeit, ein fortschrittliches und demokratisches Europa zu bilden. Mit großem Elan forcierte Masaryk die Konstituierung eines Staates. Der 500. Jahrestag der Verbrennung von Jan Hus am 6. Juli 1915 wurde von den im Ausland lebenden Tschechen verwendet, um ihm im Genfer Reformationssaal zu gedenken. Masaryk „wählte diesen Tag, um auch vor den Augen der Welt an die historische Kontinuität, an die Geschichte unseres Staates anzuknüpfen.“ Am 14. November 1915 gab Masaryk in Paris die Gründung eines „ausländischen Aktionskomitees zur Errichtung eines selbstständigen tschecho-slowakischen Staates“ bekannt. Von Paris siedelte Masaryk dann über nach England. Der Außenminister Großbritanniens Edward Grey erhielt im April 1915 von Tomáš Garrigue Masaryk einen Entwurf (Independent Bohemia), der einen Zusammenschluss Tschechiens mit der Slowakei vorsah. In der Zeitschrift The New Europe verfasste Masaryk einen Aufsatz, in dem er die Kriegsziele der Deutschen beschrieb. Er schrieb, die Deutschen wollten ein „pangermanisches Mitteleuropa“. Solche und andere Aktivitäten bewirkten, dass sich die Intellektuellen des Westens für die ethnische Melange im slawischen Raum interessierten. Der Nationalrat der tschechischen Länder wurde mit Befugnis der Regierung Frankreichs am 5. Februar 1916 gegründet. Exil-Slowaken hatten den Nationalrat der tschechischen Länder in Kooperation mit Auslandstschechen konstituiert. Damit war der Weg zu einer Exil-Regierung beschritten. 1917 traf Masaryk in Russland ein, wo eine Truppe aus tschechischen Auswanderern, Kriegsgefangenen und Überläufern zusammengestellt wurde. Die Aufstellung einer eigenen Armee und somit die Teilnahme am Krieg bildete die Grundlage für die Teilnahme am Versailler Friedensvertrag.
Masaryk hatte nicht nur wichtige Verbündete in Europa, sondern auch in den USA. „Wir verstanden uns ziemlich gut - nun, wir waren ja beide Professoren.“ So schilderte Masaryk seine Beziehung zu Woodrow Wilson, dem 28. amerikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Masaryk gelang es die amerikanischen Befürchtungen von einer „Balkanisierung“ Europas zu vertreiben. Die vierzehn Punkte von Wilson enthielten zwar die Aussage, dass die Donaustaaten sich frei und selbständig entwickeln dürften, doch war von einer Zerschlagung der Habsburger Monarchie nicht die Rede gewesen. Während Masaryk das Unternehmen in den USA vorantrieb, verhandelte Edvard Beneš mit Frankreich und Großbritannien. Im ging es darum, dass die beiden Regierungen den Nationalrat der tschechischen Länder als vorläufige Regierung anerkannten, was er am 3. Juni in London und am 29. Juni in Paris erreichte. Aus den USA kam am 11. August die Nachricht, dass der Consil National des pays tchèques an den Verhandlungen der Alliierten teilnehmen dürfe. Am 3. September wurden die Tschechen als kriegsteilnehmende Macht von den USA anerkannt und der Nationalrat als rechtmäßiger Vertreter angesehen.
[Bearbeiten] Staatsgründung
Am 17. Oktober 1918 versuchte Kaiser Karl I. nochmals sein Reich zusammenzuhalten, indem er versprach, nach dem Krieg eine bundesstaatliche Ordnung zu kreieren. Aber die Tschechen gingen auf diese Versprechungen nicht mehr ein. Sie wollten sich einen eigenen, unabhängigen und demokratisch orientierten Nationalstaat nicht mehr nehmen lassen. Drei Tage später verlangte Wilson von Österreich-Ungarn die Autonomie der Nationalitäten der Doppelmonarchie anzuerkennen. Am 25. Oktober 1918 wurde schließlich unter großem Jubel in Prag der tschecho-slowakische Staat von vier Vertretern unterschiedlicher Parteien ausgerufen. Masaryk wurde am 14. November von den Parlamentariern zum Staatspräsidenten, Beneš zum Außenminister gewählt. Am 21. Dezember kam Masaryk aus seinem Exil zurück nach Prag.
Die Integration der Slowakei sowie der Karpatenukraine handelte Masaryk noch in den USA mit dort lebenden Karputo-Ruthenen und Repräsentanten der Auslandsslowaken aus (30. Mai 1918). Masaryk wollte einerseits die Tschechen in den historischen Grenzen Böhmens einbetten und andererseits den neuen Staat um die Slowakei erweitern. Doch Ungarn, das mit den Alliierten einen Separatfrieden abgeschlossen hatten, wollte dies nicht hinnehmen. Ungarische Truppen hielten Bratislava besetzt. Erst als Beneš die Entente-Mächte dazu brachte, den Ungarn mit Krieg zu drohen, zogen diese sich endgültig zurück. Ab dem 24. Juli 1919 gehörten die Slowaken, die Karputoukrainer und die Böhmen zu einem gemeinsamen Staat. Der Staat bestand 1921 aus 14 Millionen Menschen von denen 50,82 Prozent Tschechen, 23,36 Deutsche. 14,71 Prozent Slowaken, 5,57 Prozent Ungarn und 3,45 Prozent Ruthenen waren. Außerdem lebten in dem Gebiet noch einige Rumänen, Polen und Kroaten. Es war also ein Staat mit einer ethnischen Vielfalt entstanden.
[Bearbeiten] Erste Republik
Die eigentliche Gründung der Tschechoslowakei erfolgte im Zuge des Zerfalls der Österreichisch-Ungarischen Monarchie mit der Proklamierung der Tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober 1918 in Prag und der anschließenden Proklamation einer Gruppe slowakischer Politiker, dass sie sich dem Staat anschließen, am 30. Oktober in Turčiansky Svätý Martin (heute Martin) (Martiner Deklaration). Die slowakische Bevölkerung verhielt sich gegenüber dem neu gegründeten Staat überwiegend abwartend. Ungarn wiederum setzte der Gründung gewaltsamen Widerstand entgegen, da es die Slowakei als integralen Bestandteil seines Staatsgebietes betrachtete. Ein erster tschechischer Besetzungsversuch der Slowakei im Dezember 1918 scheiterte, ein zweiter Anlauf im Mai/Juni 1919 geriet nach Anfangserfolgen zum Debakel. Ein französisches Ultimatum an Ungarn rettete die Situation für Prag.
Nur vereinzelten Widerstand setzten die Sudetendeutschen Ende November und Anfang Dezember 1918 der Abtrennung Böhmens und Mährens von Österreich-Ungarn entgegen. An etwa acht Orten kam es zu bewaffnetem Widerstand, so am 27. November in der Industriestadt Brüx und am 2. Dezember bei Kaplitz. Als am 4. März 1919 die sudetendeutsche Bevölkerung für das Selbstbestimmungsrecht der Völker demonstrierte, zerschlug tschechisches Militär die Kundgebungen. 54 Tote und fast 200 Verletzte waren zu beklagen.
Auch mit den anderen neuen Nachbarn kam es zu Konflikten um das Erbe der österreichisch-ungarischen Monarchie, vor allem der Konflikt mit dem neu entstanden Polen um die gemeinsame Grenze ist hier bestimmend. 1919 brach der Polnisch-Tschechoslowakische Grenzkrieg um das Olsa-Gebiet aus, dieser konnte endgültig erst 1958 beigelegt werden. Auch kleinere Gebietsforderungen Polens an der Nordgrenze der heutigen Slowakei führten immer wieder zu Spannungen (siehe Tschechoslowakisch-Polnische Grenzkonflikte).
Durch die Pariser Vorortverträge mit den Verliererstaaten des 1. Weltkrieges kam es für die junge Republik aber auch zu anderen kleineren Gebietsveränderungen:
- Deutschland musste durch den Friedensvertrag von Versailles das Hultschiner Ländchen (tschechisch Hlučínsko) abtreten (10. Januar 1920)
- Österreich musste neben der Herauslösung Böhmens, Mährens und Österreichisch-Schlesiens aus dem Kaiserreich Österreich im Vertrag von Saint-Germain auch 2 kleine Gebiete Niederösterreichs an die Tschechoslowakei abtreten (31. Juli 1920):
- Gebiet um Feldsberg (tschechisch Valticko) mit den Orten Feldsberg/Valtice, Bischofswarth/Hlohovec, Garschönthal/Úvaly, Unterthemenau/Poštorná und Oberthemenau/Charvátská Nová Ves
- Gebiet nördlich von Weitra im Waldviertel (tschechisch Vitorazska)mit den Orten Unterwielands/České Velenice, Rottenschachen/Rapšach, Witschkoberg/Halámky, Tannenbruck/Trpnouze, Schwarzbach/Tušť, Beinhöfen/Dvory nad Lužnicí, Gundschachen/Kunšach, Erdweis/Nová Ves nad Lužnicí, Abbrand/Spáleniště, Zuggers/Krabonoš, Sofienwald/Žofina Hut, Weissenbach/Vyšne und Naglitz/Nakolice.
- Ungarn musste durch den Vertrag von Trianon neben dem Gesamtverlust des Gebietes der Slowakei auch Petržalka/Pozsonyligetfalu abtreten, durch die tschechoslowakisch-ungarische Grenzkommision wurden allerdings die Gemeinden Šomošová/Somoskőújfalu und Šomoška/Somoskő (29. April 1923) sowie Šušava/Susa (4. Oktober 1922) wieder an Ungarn abgetreten[2]
- mit Rumänien kam es im Zuge des Vertrags von Sévres zu einem Gebietsaustausch in Karpatenrussland (1921), dabei wurde das Gebiet um die Ortschaften Veľká Palad, Fertešalmáš und Aklín gegen ein weiter östlich gelegenes Gebiet um die Ortschaften Bočkov (rumänisch Bocicău), Komlóš (rumänisch Comlăuşa), Veľká Ternavka (rumänisch Tarna Mare), Suchý potok (rumänisch Valea Seacă) sowie weiter im Osten südlich der Theiß bei Tjatschiw der Ort Valea Francisc/Franzensthal (heute rumänisch Piatra) getauscht[3].
Die offizielle Bezeichnung war von 1918 bis 1938 Tschechoslowakische Republik (ČSR, anfangs RČS); bis 1923 Kurzform Tschecho-Slowakei. Der Staat ging aus den vorher zu Österreich gehörenden Gebieten Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien (nunmehr zum Land Mähren-Schlesien vereinigt), sowie aus den zu Ungarn gehörenden Gebieten Oberungarn (Slowakei) und Karpatenrussland (Podkarpatská Rus, heute Oblast Transkarpatien (Ukraine)) hervor.
Als erster Präsident wurde der Philosoph und Soziologe Tomáš Garrigue Masaryk gewählt. Erster Regierungschef war Karel Kramář. Die provisorische Verfassung von November 1918 wurde vom Tschechoslowakischen Nationalausschuss verabschiedet, der im Juni 1918 aus Vertretern tschechischer Parteien entsprechend den Wahlergebnissen von 1911 zusammengesetzt war.
Die Verfassungsurkunde der Tschechoslowakischen Republik wurde am 29. Februar 1920 angenommen[4] – nicht durch ein gewähltes Parlament, sondern durch die Provisorische Nationalversammlung, die durch eine Erweiterung des oben genannten Nationalausschusses gebildet worden war. Von den 270 Abgeordneten der Nationalversammlung waren den Slowaken 54 Sitze zugeteilt worden. Die Deutschen in Böhmen und Mähren, welche die Gründung des neuen Staates überwiegend ablehnten, boykottierten die Nationalversammlung und verpassten so die Gelegenheit die Entstehung eines neuen Staates zu beeinflussen. Die ersten Parlamentswahlen fanden anschließend am 18. April 1920 statt. Die Tschechoslowakei war neben der Schweiz das einzige Land Mitteleuropas, das bis zum Zweiten Weltkrieg eine parlamentarische Demokratie blieb.
Die Gründung einer von Rom unabhängigen tschechoslowakischen Kirche 1920 und die Erhebung des Hus-Tages zum Staatsfeiertag 1925 ließ den im 15. Jahrhundert entstandenen Konflikt mit dem Vatikan wieder aufflammen, der im Februar 1928 beigelegt wurde. Die Beziehungen zum Vatikan blieben indessen schwierig.
1920 und 1921 wurde durch eine Serie von Verträgen die Kleine Entente gegründet, ein Bündnis zwischen der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien, das gegen die ungarische Revisionspolitik und gegen Versuche habsburgischer Wiederherstellung gerichtet war.
Auseinandersetzungen der bürgerlich-demokratischen Kräfte in der, von der Oktoberrevolution angefachten, Revolutionsbewegung in Europa machten auch vor der Tschechoslowakei keinen Halt. So wurde 1921 die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei gegründet.
Nach Masaryks Rücktritt 1935 wurde sein engster Mitarbeiter Edvard Beneš zu seinem Nachfolger.
Die Zeitspanne 1934 bis 1938 brachte neben einem wirtschaftlichen Niedergang eine weitere Gefahr, denn in den Grenzgebieten mit überwiegend sudetendeutscher Bevölkerung fand die Sudetendeutsche Partei von Konrad Henlein einen aufnahmebereiten Nährboden. Im Jahre 1935 begann der Bau wirksamer Grenzbefestigungsanlagen nach dem Vorbild der Maginot-Linie.
[Bearbeiten] Innenpolitik
Die Tschechoslowakei war sowohl politisch als auch konfessionell ein heterogenes Gebilde. Nach den Ergebnissen der einzigen beiden tschechoslowakischen Volkszählungen der Zwischenkriegszeit bestand die Bevölkerung 1921 (1930) neben Tschechen 51,5 % (51,2 %) und Slowaken 14 % (15 %) noch aus einer großen Zahl von Deutschen 23,4 % (22,5 %) in den böhmischen Ländern (Sudetenland) und der Slowakei (Karpatendeutsche), sowie aus Magyaren 5,6 % (4,9 %) und Ruthenen beziehungsweise Ukrainern 3,5 % (3,9 %) in der Slowakei. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass bei den Volkszählungen die Tschechen und Slowaken als „Tschechoslowaken“ angegeben wurden, so dass in manchen Quellen abweichende Anteile der Tschechen und Slowaken vorzufinden sind (zum Beispiel 43 % Tschechen und 22,5 % Slowaken), deren Summe aber von der obigen nicht abweicht. Die Ruthenen und Ukrainer wurden als "Rus(ové)" angegeben.
Das Verhältnis der Volksgruppen zueinander war konfliktbeladen. Es gab mehrere kleinere Auseinandersetzungen.
Tschechoslowakische Abgeordnetenkammer 1920-1935 - Deutsche und ungarische Parteien [5] [6]
Partei | Mandate 1920 | Mandate 1925 | Mandate 1929 | Mandate 1935 | Stimmen 1935 |
---|---|---|---|---|---|
Sudetendeutsche Partei | - | - | - | 44 | 1.256.010 |
Deutsche Nationalpartei | - | 10 | 7 | - | - |
Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei | 15 | 17 | 8 | - | - |
Deutsche sozialdemokratische Arbeiterpartei | 31 | 17 | 21 | 11 | 300.406 |
Deutsche Christlich-Soziale Volkspartei | 7 | 13 | 14 | 6 | 163.666 |
Bund der Landwirte | 11 | 24 | - | 5 | 142.775 |
Ungarische Parteien
und sudetendeutscher Wahlblock |
9 | 4 | 9 | 9 | 292.847 |
Vereinigte deutsche Parteien | 6 | - | 16 | - | - |
Total (aus 300 Mandate) | 79 | 85 | 75 | 75 |
- Ungarische Parteien und sudetendeutscher Wahlblock (1935)[7]: Deutsch-demokratische Freiheitspartei, Deutsche Gewerbepartei, Deutschnationale Partei, Sudetendeutsche Landbund, Deutsche Arbeiterpartei, Zipser deutsche Partei, Ungarische Christlichsoziale Partei, Ungarische Nationalpartei
Die sudetendeutsche Volksgruppe lebte vor allem in den industriell geprägten Ballungsräumen und stellte prozentual eine größere Volksgruppe dar als die Slowaken. Mit ihrer Stellung im Staat waren sie unzufrieden, denn der Einmarsch tschechischer Truppen hatte 1918 Volksabstimmungen der Deutschen verhindert und der von den Sudetendeutschen geplante Anschluss an Österreich war von den Siegermächten untersagt worden. Ehemals österreichische Beamte, die kein Tschechisch sprachen, wurden entlassen, ebenso erging es vielen Chefs staatseigener Betriebe. In den deutschen Schulen wurde die Staatssprache Tschechisch als Pflichtfach eingeführt (der sonstige Unterricht blieb deutsch). Viele Sudetendeutschen lehnten die Verpflichtung zum Erlernen der Staatssprache ab, wie sie in den zwanziger Jahren überhaupt in einer Fundamentalopposition gegenüber den neuen Machthabern verharrten. 1928 traten dann aber einige sudetendeutsche Parteien in die Regierung ein und die Lage entspannte sich etwas. Bereits wenige Jahre später waren große Teile der sudetendeutschen Bevölkerung von den Anfangserfolgen des deutschen Nationalsozialismus fasziniert. Die zuerst nach Autonomie strebende Sudetendeutsche Partei von Konrad Henlein wandte sich mit dem Erstarken des Nationalsozialismus Adolf Hitler zu.
Unzufrieden waren auch die Slowaken, die innerhalb des Staates keine Autonomie erhalten hatten, obwohl sie ihnen durch den Pittsburgher Vertrag zwischen Amerikatschechen und Amerikaslowaken im Mai 1918 zugesichert worden war. Sie fühlten sich zudem durch den Begriff der tschechoslowakischen Nation beleidigt. 1929 kam es zudem zur Verurteilung einer der führenden slowakischen Persönlichkeiten, des slowakischen Professors Vojtech Tuka (* 1880, † 1946) zu 15 Jahren Zuchthaus, von denen er acht Jahre tatsächlich im Gefängnis absitzen musste. Tuka wurde während des Zweiten Weltkriegs slowakischer Premierminister. Slowakisch und Deutsch waren Anfang des 20. Jahrhunderts an Grundschulen in Ungarn nur als Fremdsprache zugelassen. Daher fehlte es an einer slowakisch sprechenden Intelligenz. Sie wurde durch tschechische Lehrer und Beamte ersetzt, deren Verhalten von den Slowaken als arrogant empfunden wurde. Die tschechischen Lehrer und Beamten trugen deutlich zu einer Tschechisierung der slowakischen Sprache bei.
[Bearbeiten] Wirtschaft
In der Zwischenkriegszeit war die Tschechoslowakei einer der reichsten Staaten Europas, da die böhmischen Länder seinerzeit das industriereichste Gebiet Österreichs und die Slowakei eines der industriereichsten Gebiete Ungarns war. Jedoch war die Slowakei bis in die 1960er Jahre wirtschaftlich deutlich schwächer als der westliche Landesteil. Karpatenrussland, das 1945 von der UdSSR annektiert wurde, war 1918 ein praktisch industrieloses Gebiet mit einem hohen Anteil an Analphabetismus. Die Weltwirtschaftskrise traf auch die Tschechoslowakei in den Jahren 1929 bis 1933. Die Zahl der Arbeitslosen belief sich auf eine Million.
[Bearbeiten] 1938–1939
[Bearbeiten] Sudetenkrise
Im März 1938 begann die Sudetenkrise, die mit dem Münchner Abkommen vom 30. September 1938 (von den Tschechen auch Münchner Diktat genannt) endete. Die Tschechoslowakei musste ihr gesamtes Grenzgebiet zum Deutschen Reich mit mehrheitlich deutscher Bevölkerung (Sudetenland) an dieses abtreten. Ungarn sowie Polen wurde erlaubt, ähnliche Forderungen betreffend ethnisch ungarische bzw. polnische Gebiete an die Tschechoslowakei zu stellen, was später auch eintrat.
Nach der Ausführung des Abkommens hinterließ man mit nicht mehr als 40 % der tschechischen Industrie einen fast wehrunfähigen und nur noch mühsam wirtschaftlich selbstständigen Reststaat. In den besetzten Gebieten fanden zunächst Vertreibungen und Morde an Tschechen, sowie Massenmorde und Verschleppungen von tschechischen Juden und Sinti beziehungsweise Roma statt. Die darauf folgenden Vergeltungsaktionen, wie zum Beispiel Sabotageakte tschechischer Widerstandskämpfer, führten erneut zu grausamen Aktionen durch die Wehrmacht und die SS.
Präsident Beneš legte am 5. Oktober 1938 sein Amt nieder und ging nach London. In Anbetracht des Chaos' und des Machtvakuums, das Benes hinterlassen hatte, erklärten die Slowaken einen Tag später ihre ersehnte Autonomie innerhalb der Tschechoslowakei. Diese wurde einen Tag später von der Nationalversammlung anerkannt und am 22. November im so genannten Autonomiegesetz verankert, durch das auch der Staat zutreffend in Tschecho-slowakische Republik umbenannt wurde. Dieser Staat ist auch unter dem Namen Zweite Republik bekannt. Am 11. Oktober wurde auch die erste autonome Regierung Karpatenrusslands ernannt.
[Bearbeiten] „Liquidierung“ der Zweiten Republik
Am 31. Oktober erließ Hitler eine Richtlinie über die endgültige Liquidierung der Tschechoslowakei durch die Besetzung Tschechiens und die Abtrennung der Slowakei. Diese Richtlinie wurde dann in der Folge verwirklicht. Am 2. November verlor die Slowakei durch den Wiener Schiedsspruch etwa ein Drittel des Staatsgebietes an Ungarn.
Im Februar 1939 begannen die Deutschen, die slowakischen Vertreter offiziell zur Erklärung einer selbstständigen Slowakei zu überreden. Um dies zu verhindern, besetzten am 9. März tschechische Truppen die Slowakei. 253 Slowaken wurden in Mähren interniert und in der Slowakei wurde eine neue Regierung eingesetzt. Am 13. März lud Hitler den von den Tschechen abgesetzten slowakischen Premierminister Jozef Tiso nach Berlin ein und „empfahl“ ihm, so schnell wie möglich (mit Hitlers Worten „blitzschnell“) eine unabhängige Slowakei auszurufen. Andernfalls würde Hitler die Slowakei Ungarn und Polen überlassen (Damit kann man die "Empfehlung" Hitlers an Jozef Tiso durchaus als Ultimatum ansehen). Am 14. März 1939 stimmte das aus Wahlen hervorgegangene slowakische Parlament einstimmig für die Selbständigkeit.
Die Tschecho-Slowakei hatte damit aufgehört zu existieren. Einen Tag später (15. März) besetzte die Wehrmacht, entgegen dem Münchner Abkommen und ohne die Zustimmung der ausländischen Großmächte, das restliche Tschechien einschließlich Prag. Diese Gebiete wurden zum Reichsprotektorat Böhmen und Mähren erklärt. Gleichzeitig besetzte Ungarn entgegen dem Wiener Schiedsspruch Karpatenrussland. Im Gegensatz zu den Tschechen haben sich die Slowaken jedoch zur Wehr gesetzt: Nach einem weiteren Angriff Ungarns am 23. März im slowakisch-ungarischen Krieg vom 23. März bis zum 4. April 1939 verlor die Slowakei „nur“ die östlichsten Gebiete.
Beneš rechtfertigte seine Entscheidungen von 1938-1939 mit dem Bemühen um eine Verhinderung der Zerstörung der Sehenswürdigkeiten Prags sowie zahlreicher böhmischer und mährischer Städte. In einer Ansprache erläuterte er seine damaligen Beweggründe:
- Wir haben uns ehrlich darum bemüht, uns mit den anderen Nationalitäten zu verstehen. Wir sind mit unseren Zugeständnissen bis an die äußersten möglichen Grenzen gegangen. ... Sie wissen, dass sich die vier Großmächte getroffen haben und unter sich über die Opfer entschieden haben, die sie von uns für die Erhaltung des Friedens forderten und die wir gezwungen wurden zu akzeptieren. Ich möchte heute diese Angelegenheiten weder kommentieren, noch kritisieren, sondern nur das eine sagen: die Opfer, die von uns so nachdrücklich gefordert werden, sind unangemessen und ungerecht. In dieser Zeit habe ich die Interessen unseres Staates und unsere Position in Europa mit allen Kräften verteidigt. Die Kräfte, die gegen uns waren, waren stärker. Ich denke, dass es unter diesen Umständen gut ist, dass eine neue Entwicklung der europäischen Zusammenarbeit von unserer Seite nicht dadurch gestört wird, dass ein wichtiger Repräsentant wegen seiner persönlichen Einstellung dieser Entwicklung im Wege stehen könnte.
[Bearbeiten] 1939–1945
[Bearbeiten] Protektorat
Das Reichsprotektorat Böhmen und Mähren umfasste die überwiegend von Tschechen bewohnten Teile Böhmens und Mährens. Die Regierung unter Präsident Emil Hácha stand unter der Aufsicht eines Reichsprotektors. Da das Protektorat dank seiner breiten industriellen Basis intensiv für die deutsche Kriegsrüstung ausgenutzt wurde (zum Kriegsende lieferte das Protektorat etwa ein Drittel des deutschen Kriegsgeräts), fanden hier keine Massenmordaktionen statt. Verschleppungen in das Konzentrationslager Theresienstadt (Terezín) und in andere Arbeitslager außerhalb des Protektorats fanden aber statt. Von den rund 120.000 Juden der böhmischen Länder (davon rund 30.000 im sudetendeutschen Grenzgebiet, 90.000 im tschechischen Gebiet, dem späteren Protektorat) wurden rund 78.000 von den Nazis ermordet. Zudem wurden etwa 8000 Tschechen ermordet, davon etwa 1700 während der Terrorwelle nach dem Heydrich-Attentat.
Nach dem erfolgreichen Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich machten die Nazis am 10. Juni 1942 das Dorf Lidice und den Weiler Ležáky dem Erdboden gleich. Alle männlichen Einwohner wurden erschossen und Frauen, Kinder und Alte in Konzentrationslager deportiert (zusammen über 350 Tote). Die Verschleppungen von Juden in die Konzentrationslager wurde fortgesetzt. Vier Tage vor dem Kriegsende brach noch in Prag und anderen tschechischen Städten ein bewaffneter Aufstand los, der sich vor allem gegen tschechische Kollaborateure und die deutsche Minderheit in Prag und Umgebung richtete.
[Bearbeiten] Slowakei
Die Slowakei dagegen wurde, bis auf einen kleinen Streifen entlang Mährens (bis zu den östlichen Rändern der Kleinen und Weißen Karpaten sowie des Javorník-Gebirges), nicht von deutschen Truppen besetzt. Sie musste in der Folge mit Deutschland nur einen „Schutzvertrag“ abschließen. Verschleppungen von Slowaken oder Roma fanden nicht statt. Die Juden wurden aber nach ständigem Druck Deutschlands in Arbeitslager ins Ausland verschleppt. Nachdem jedoch publik wurde, um was für Arbeitslager es sich in Wirklichkeit handelte, wurden die Transporte gestoppt. Sie wurden erst Ende 1944 wieder aufgenommen. Ursache hierfür war der Slowakische Nationalaufstand. Viele Slowaken waren im August 1944 in diesem militärisch gescheiterten aber für die Nachkriegszeit wichtigen Aufstand gegen Hitler beteiligt. Hitler hatte deswegen beschlossen, auch die Slowakei militärisch zu besetzen.
[Bearbeiten] Exil-Tschechoslowakei
In London gründete Beneš 1940 eine Exilregierung und er selbst wurde zum Exilpräsidenten. Die Exilregierung wurde von Großbritannien, später auch von den USA und der Sowjetunion anerkannt. Die Tschechoslowakei wurde, mit intensiver Unterstützung durch in der UdSSR gebildeten tschechoslowakischen Legionen, überwiegend durch die Rote Armee befreit. Sie nahmen Bratislava am 4. April und Prag am 8./9. Mai 1945 ein. Das südwestliche Tschechien wurde durch die US Third Army (General Patton) befreit. Die Besetzung Prags durch die Sowjetarmee am 9. Mai beendete auch den Kampf des tschechoslowakischen Widerstands gegen das Naziregime. Die Tschechoslowakei wurde nahezu in ihren Grenzen von 1937 erneuert, wobei aber Karpatenrussland der Sowjetunion überlassen wurde. Dazu kamen noch Grenzkorrekturen zugunsten des Staatsgebiets im Süden Bratislavas, dem sogenannten Bratislavaer Brückenkopf und ein größerer Gebietstausch an der östlichen Grenze zur damaligen Sowjetunion. Dabei kamen eine Stadt und einige Gemeinden im Gebiet südlich von Uschhorod bis nach Tschop zur Ukrainischen SSR:
Slowakisch | Ukrainisch | Transkription | Transliteration | Ungarisch2 |
---|---|---|---|---|
Galoč | Галоч | Halotsch | Haloč | Gálocs |
Palov | Палло | Pallo | Pallo | Palló |
Batva | Батфа | Batfa | Batfa | Bátfa |
Palaď + Komarovce | Паладь-Комарівці | Palad-Komariwzi | Palad’-Komarivci | Palágykomoróc |
Surty | Сюрте | Sjurte | Sjurte | Szürte |
Malé Rátovce | Мaлi Ратівці 1 | Mali Ratiwzi | Mali Rativci | Kisrát |
Veľké Rátovce | Вeликi Ратівці 1 | Welyki Ratiwzi | Velyki Rativci | Nagyrát |
Malé Slemence | Мaлi Ceлмeнці | Mali Selmenzi | Mali Selmenci | Kisszelmenc |
Šalamúnová | Coлoмoнoвo | Solomonowo | Solomonovo | Tiszasalamon |
Téglás | Tийглaш | Tyhlasch | Tyhlaš | Kistéglás |
Čop | Чоп | Tschop | Čop | Csap |
1 Ortsteil von Рaтівцi‚ (Ratiwzi, Rativci)
2 Offiziell bis 1918 und 1939–1945
Im Gegenzug kam der Ort Lekárovce 1946 zur Tschechoslowakei.
[Bearbeiten] Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die offizielle Bezeichnung von 1945 bis 1960 wieder Tschechoslowakische Republik (ČSR). Bezüglich der Sudetendeutschen setzten in Tschechien Racheakte, Massenflucht und ihre Abschiebung und Vertreibung auf der Basis des von allen Alliierten beschlossenen Potsdamer Abkommens und der darauf folgenden und darauf basierenden Beneš-Dekrete ein. Bei der ungarischen Minderheit ist nach einer Vereinbarung mit Ungarn sowie der weitgehenden Rückgängigmachung der anfänglichen Umsiedlungsversuche nach Tschechien 1948 die Anzahl der Ungarn in der Slowakei gegenüber dem Vorkriegsstand nur geringfügig gesunken.
Die Wahlen von 1946 haben in Tschechien die Kommunisten mit 40 % und in der Slowakei die Anti-Kommunisten (die Demokratische Partei) mit 62 % gewonnen. Da jedoch die Slowakei deutlich kleiner ist als Tschechien, hat dieses Wahlergebnis den (schon seit dem Zweiten Weltkrieg teilweise von Moskau aus gelenkten) Kommunisten insgesamt auf landesweiter Ebene ermöglicht, in Prag zuerst entscheidende Ministerposten zu besetzen, dann 1947 schnell die slowakische Demokratische Partei aus dem Weg zu räumen und mit der Verstaatlichung der Wirtschaft zu beginnen, und schließlich im Februar 1948 durch einen Staatsstreich die Macht vollständig an sich zu reißen.
[Bearbeiten] 1948–1989
Der wieder gegründete und 1948 kommunistisch gewordene Staat hatte sich der stalinistischen Politik der Sowjetunion anzufügen. Edvard Beneš trat zurück, weil er die neue Verfassung von Mai 1948 nicht unterschreiben wollte. Der kommunistische Führer Klement Gottwald proklamierte eine kommunistische Republik und wurde Präsident und Erster Sekretär der Kommunistischen Partei.
In diese Zeit fallen auch die Schauprozesse von Jihlava. Anlass dafür war der am 21. Juli 1951 erfolgte Mord an drei örtlichen kommunistischen Funktionären in dem mährischen Dorf Babice. Dieses Verbrechen bot Gelegenheit zu einem Exempel gegen die katholische Landbevölkerung um Moravské Budějovice, die die neue kommunistische Staatsdoktrin offen ablehnte. In den Prozessen wurde elf Todesurteile gefällt und gegen 111 Personen langjährige Zuchthausstrafen ausgesprochen, zu denen noch sippenhaftartige Benachteiligungen und Umsiedlungen hinzu kamen. Nie geklärt wurde dabei, ob der am 3. Juli 1951 erschossene Haupttäter Ladislav Malý aus eigener antikommunistischer Überzeugung handelte oder der als Alkoholiker geltende Malý vom Staatssicherheitsdienst für das Verbrechen angeheuert worden war, um einen Anlass für die von langer Hand vorbereitenen Prozesse zu schaffen. Dies waren jedoch weder die einzigen, noch die ersten Schauprozesse der stalinistisch-kommunistischen Macht des Landes mit verhängten Todes- und langjährigen Zuchthausstrafen.
Die tschechischen Landesteile Böhmen und Mähren bildeten mit der Slowakei einen einheitlichen zentralistischen Staat bis 1969. Der Slowakei wurde jedoch eine gewisse - mehr oder weniger pro forma - Autonomie zugestanden, indem sie eine eigene Regierung hatte, deren Minister die Funktionsbezeichnug Poverenik (dt. Beauftragter) trugen. Man kann aber davon ausgehen, dass diese primär die verlängerte Hand der zentralen Regierung in Prag (in der die Slowaken mit Ministerposten auch vertreten waren) bilden sollte. Ebenfalls gab es neben der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (Komunistická strana Československa, KSČ) auch eine eigenständige Kommunistische Partei der Slowakei (Komunistická strana Slovenska, KSS) der gleichen Prägung.
Nach dem Tod von Klement Gottwald 1953 folgte ihm Antonín Novotný als Parteisekretär, während Antonín Zápotocký das Amt des Staatspräsidenten übernahm. Die Entstalinisierungswelle nach dem 20. Parteikongress der KPdSU blieb in der Tschechoslowakei in verbalen Beteuerungen stecken, da weder die stalinistische Führungsschicht ausgewechselt, noch die Opfer der Säuberungen rehabilitiert wurden. Nachfolger des 1957 verstorbenen Staatspräsidenten Zápotocký wurde Parteisekretär Antonín Novotný, der nun beide Ämter in seiner Hand vereinigte. 1960 wurde eine neue Verfassung erlassen und es kam zur Proklamation der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ČSSR). Verankert wurde die führende Rolle der KSČ und die Zentralisierung des Staates verschärfte sich auf Kosten slowakischer Institutionen.
Im Januar 1968 wurde Alexander Dubček zum Parteichef gewählt und löste damit den Stalinisten Novotný ab, der wenig später auch das Amt des Staatspräsidenten an Ludvík Svoboda verlor. Unter Dubček begann die Kommunistische Partei im Frühjahr 1968 ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm, das durch die kritische und reformorientierte Öffentlichkeit beeinflusst und verstärkt wurde. Die Regierung schaffte die Pressezensur ab, garantierte Meinungsfreiheit und erlaubte Auslandsreisen. Ferner leitete sie Wirtschaftsreformen ein und suchte die Rolle der Kommunistischen Partei in der Gesellschaft neu zu bestimmen. Dieser Versuch, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen, ging unter dem Schlagwort „Prager Frühling“ in die Geschichte ein.
Die kommunistischen Führungen einiger Länder des Warschauer Pakts (insbesondere Polens und der DDR) empfanden diese Entwicklung hingegen als Bedrohung ihrer Machtposition. Deshalb beschloss die Mehrheit dieser militärischen Allianz (außer Rumänien und Albanien, das daraufhin diesen Pakt definitiv verließ) unter der Führung der Sowjetunion den Reformbemühungen am 21. August 1968 durch Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein Ende zu setzen. Der sowjetische Parteichef Leonid Breschnew - nachdem er anfangs noch Dubček gegenüber auf seine Bedenken hin den berühmten Satz „Das ist Eure Sache“ („Eto wasche djelo“) aussprach - rechtfertigte das nun mit der Behauptung, die Ostblockstaaten hätten nur eine eingeschränkte Souveränität, wenn der Sozialismus in Gefahr sei (Breschnew-Doktrin). Dubček wurde entmachtet und durch Gustáv Husák ersetzt, der die Reformen Dubčeks unverzüglich rückgängig machte, alle Führungspositionen im Staat mit moskautreuen Anhängern besetzte und eine "Säuberung" der Partei durchführte. 1975 wurde Husák neben seinem Amt als Parteichef auch zum Staatspräsidenten gewählt. Im Oktober 1968 erfolgte zudem eine Verfassungsreform. Es kam zu einer Föderalisierung der ČSSR und den neuen Gliedstaaten Tschechische und Slowakische Sozialistische Republik.
[Bearbeiten] 1989–1992
Die Tschechoslowakei war nach dem "Prager Frühling" von 1968 in Resignation verfallen, zum Westen hin schottete sie sich auch mit Grenzbefestigungen ähnlich wie die der DDR ab.
Mit der "Charta 77" entstand 1977 unter Václav Havel eine mutige Bürgerrechtsbewegung, die seit 1988 zu politischen Aktionen aufrief. Die Ereignisse in der Prager Botschaft der Bundesrepublik führten ab September 1989 dazu, dass in mehreren Wellen tausenden DDR-Bürgern die Ausreise in den Westen ermöglichte wurde, eine wichtige Vorstufe zum Fall der Berliner Mauer.
Mitte November 1989, unter dem Eindruck der Veränderungen in den "sozialistischen Bruderländern", die durch das Reformprogramms von Michail Gorbatschow und der sogenannten "Sinatra-Doktrin" der Sowjetunion ermöglicht wurden, kam es auch in Bratislava und in Prag zu mehrtägigen Demonstrationen. Die Initialzündung wurde am 16. ausgelöst, die darauffolgenden Großproteste am 17. November führten später dazu, dass dieser als Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie einer der Feiertage des Landes wurde. Nach tagelangen Protesten trat die kommunistische Führung zurück. Nach dieser Samtenen Revolution, einer verhältnismäßig friedlichen und gewaltlosen Erhebung des Volkes, endete das Regime der Kommunistischen Partei. Anfang Dezember wurde unter dem Reformkommunisten Marián Čalfa eine mehrheitlich nichtkommunistische Regierung gebildet, der u.a der Bürgerrechtler Jiří Dienstbier als Außenminister angehörte. Ende Dezember wurde der Schriftsteller und Bürgerrechtler Václav Havel zum Staatspräsidenten gewählt. Im Juni 1990 fanden die ersten freien Parlamentswahlen seit 1945 statt. Es siegte das Bürgerforum von Václav Havel und die slowakische Öffentlichkeit gegen Gewalt, die zusammen die Regierung bildeten.
Es zeichnete sich bald ab, dass der föderative Staat „Tschechoslowakei“ auf Dauer keinen Bestand mehr haben würde. Im April 1990 wurde die Bezeichnung Tschechoslowakische Föderative Republik in Tschechien beziehungsweise Tschecho-slowakische Föderative Republik in der Slowakei eingeführt; sie wurde aber etwa einen Monat später geändert und bis zu dem Zeitpunkt, als sich die beiden Staaten trennten, also bis zum Ende des Jahres 1992, hieß das Land die Tschechische und Slowakische Föderative Republik (ČSFR) mit den Kurzformen Tschechoslowakei in Tschechien beziehungsweise Tschecho-Slowakei in der Slowakei.
Mit dem 1. Januar 1991 wurden alle (in der Vergangenheit üblichen) Umverteilungen von Budgetgeldern aus Tschechien in die Slowakei beendet. Im Mai 1991 verhandelten die Abgeordneten des tschechischen Parlaments bereits hinter geschlossenen Türen über die Eventualität einer Auflösung der Tschechoslowakei. Nach zahlreichen ergebnislosen Verhandlungen zwischen den Tschechen und den Slowaken wurde schließlich beschlossen, bezüglich einer endgültigen Entscheidung über die Zukunft der Tschechoslowakei bis zu den Neuwahlen 1992 zu warten. Nach Verhandlungen der damaligen, aus den Wahlen von 1992 hervorgegangenen Premierminister der Bundesstaaten Tschechien (Václav Klaus) und Slowakei (Vladimír Mečiar), beschloss man (ohne das Volk zu befragen), die Tschechoslowakei friedlich aufzulösen. Am 1. Januar 1993 teilte sich die Tschechoslowakei dann wie geplant in Tschechien (Tschechische Republik) und Slowakei. Dabei handelte es sich nicht um eine Sezession, sondern um eine Dismembration.
In diesem Zusammenhang ist auch die Teilung der bis dahin gemeinsamen Währung (Tschechoslowakische Krone) in zwei eigenständige Währungen bemerkenswert und einmalig in der Geschichte.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Liste der Präsidenten der Tschechoslowakei
- Liste der Ministerpräsidenten der Tschechoslowakei
- Geschichte Tschechiens
- Geschichte der Slowakei
- Geschichte der Karpatenukraine
- Liste deutscher Bezeichnungen tschechischer Orte
- Liste deutscher Bezeichnungen slowakischer Orte
[Bearbeiten] Literatur
- Bernd Rill: Böhmen und Mähren – Geschichte im Herzen Mitteleuropas. 2006, ISBN 3-938047-17-8
- Jörg K. Hoensch: Geschichte der Tschechoslowakei. Stuttgart u. a., 1992, ISBN 3-17-011725-4
- Karl-Peter Schwarz: Tschechen und Slowaken – Der lange Weg zur friedlichen Trennung. Wien, 1993, ISBN 3-2035-1197-5
- Klaus Otto Skibowski: Schicksalstage einer Nation – Die CSSR auf dem Weg zum progressiven Sozialismus. Düsseldorf, 1968
- Antonín Klimek: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 13: 1918–1929. Praha, 2000, ISBN 80-7185-328-3
- Antonín Klimek, Petr Hofman: Velké dějiny zemí Koruny české. Bd. 14: 1929–1938. Praha, 2002, ISBN 80-7185-425-5
- Mauritz Markus: Tschechien. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, 2002.
- Zdenek Benes (Hrsg.): Geschichte verstehen. Die Entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen in den böhmischen Ländern 1848-1948, Prag 2002
[Bearbeiten] Weblinks
- Alles über die tschechische Geschichte
- Geschichte von Böhmen, Mähren und Schlesien im Überblick (tschechisch)
[Bearbeiten] Einzelnachweise
- ↑ Zur Verwendung der Begriffe „Tschechei“ oder „Tschechien“ gibt es einen Beitrag von Hans Lemberg.
- ↑ Milan Majtán: Názvy obcí Slovenskej Republiky, Bratislava 1998
- ↑ http://users.prf.cuni.cz/leskr2aj/zmluvy.html
- ↑ Verfassungsurkunde der tschechoslowakischen Republik vom 29. Februar 1920 bei verfassungen.de
- ↑ "Prager Tagblatt", Nr. 116 du 18 Mai 1935, Tschechoslowakische Parlamentswahl vom 19. 5. 1935
- ↑ Alena Mípiková und Dieter Segert, Republik unter Druck
- ↑ "Prager Tagblatt", Nr. 116 du 18 Mai 1935, Tschechoslowakische Parlamentswahl vom 19. 5. 1935