Bruno Schulz
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Bruno Schulz (* 12. Juli 1892 in Drohobycz, damals Polen, heute Ukraine; † 19. November 1942 ebd.) war ein polnisch-jüdischer Schriftsteller, Literaturkritiker, Graphiker und Zeichner.
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[Bearbeiten] Leben
Bruno Schulz wurde 1892 im galizischen Drohobycz geboren. Er war das dritte Kind von Jakub und Henrietta Schulz. Die jüdisch-herkünftige Familie orientierte sich an der polnischen Kultur; Bruno Schulz wuchs polnischsprachig auf, über die Mutter kam er früh auch mit der deutschen Sprache in Berührung. Im Erdgeschoss des von der Familie Schulz bewohnten Hauses befand sich das Seiden- und Textilwarengeschäft des Vaters. Aufgrund seiner schweren Krankheit und der Konkurrenz von Großhändlern wurde das Geschäft 1910 aufgelöst.
Nach dem Abitur begann Schulz 1910 in Lemberg ein Architekturstudium, das er wegen der Krankheit des Vaters, seines eigenen schlechten Gesundheitszustands und in Folge des Ersten Weltkriegs 1914 abbrach. Aus der österreichischen Armee ausgemustert, verbrachte Bruno Schulz die Kriegszeit in Kurorten und für einen längeren Zeitraum in Wien, wo er an der Akademie der Künste eingeschrieben war. Noch zu Lebzeiten des Vaters musste das durch Kriegshandlungen zerstörte Haus der Familie verkauft werden. Die verarmte Familie zog in das Haus der Tochter Hania Hofman, deren Mann in der Drohobycz-Boryslawer Erdölindustrie angestellt war. Einige Zeit später nahm dieser sich das Leben. 1915 starb Jakub Schulz. Bruno Schulz kehrte nach dem Ersten Weltkrieg nach Drohobycz zurück, das er mit Ausnahme von Aufenthalten in Warschau, Reisen innerhalb Polens, einer Parisreise und einer Schifffahrt nach Dänemark bis zu seinem Lebensende nicht mehr verließ.
Nach dem Krieg beschäftigte sich Schulz autodidaktisch mit Malerei und Graphik. In der Zeit zwischen 1920 und 1922 entstand der Graphikzyklus Xięga Bałwochwalcza (dt. Das Buch vom Götzendienst). Schulz machte Bekanntschaft mit Stanisław Ignacy Witkiewicz, lernte über ihn die polnisch-jüdische Philosophin und Schriftstellerin Debora Vogel kennen und begann in einem Briefwechsel mit ihr, sich stärker der sprachlichen Gestaltung zuzuwenden. Ihrer Unterstützung ist schließlich die Entdeckung der Erzählungen zu verdanken. Von 1924 bis 1941 arbeitete Schulz als Zeichenlehrer. In Briefen an Freunde klagte Schulz immer wieder über die Langeweile und Überforderung dieser Tätigkeit, die ihm kaum Zeit zum Schreiben lasse. Nach dem Tod der Mutter 1931 und – drei Jahre später – des älteren Bruders war Schulz auf diese Beschäftigung jedoch angewiesen, da ihm die Pflicht des Familienunterhalts zufiel. Die Veröffentlichung seiner Erzählungen machte ihn innerhalb Polens schnell bekannt. Versuche, sie in andere europäische Sprachen zu übersetzen, scheiterten jedoch zu seinen Lebzeiten. Entgegen anderslautender Quellen war Schulz an der Übersetzung von Kafkas Romanfragment Der Process ins Polnische lediglich als Berater seiner Verlobten Jozefina Szelińska beteiligt. Sie übersetzte, er stellte seinen Namen zur Verfügung, um die Publikation der Übersetzung zu beschleunigen.[1]
Nach dem Einmarsch der Roten Armee im September 1939 in Ostpolen verdiente Schulz sein Brot, indem er unter anderem für die neuen Machthaber propagandistische Bilder malte. Eine Zeitlang arbeitete er in der Bibliothek des ehemaligen Klosters in Chyrów (ukr. Chyriv). Als die deutsche Armee nach dem Überfall auf Russland bis nach Galizien vordrang, musste Schulz 1941 in das Drohobyczer Ghetto übersiedeln. Als Maler und Zeichner fand er im SS-Hauptscharführer Felix Landau einen, wenn auch zweifelhaften, Protektor. Schulz wurde gezwungen, eine von Landau beschlagnahmte Villa mit Fresken zu bemalen. Diese wurden im Jahr 2001 von dem deutschen Dokumentarregisseur Benjamin Geissler entdeckt. Die Suche nach den Wandbildern und die Affäre um ihre Ausfuhr nach Yad Vashem dokumentiert Geisslers Film Bilder Finden. Am 19. November 1942, kurz vor seiner geplanten Flucht aus dem Ghetto, wurde Schulz auf offener Straße von einem Mitglied der Gestapo erschossen, wahrscheinlich aus Unmut gegen Schulz' Gönner. Die Todesumstände genau zu rekonstruieren erweist sich aufgrund widersprüchlicher mündlicher Zeugenaussagen als schwierig. Der jüdische Friedhof in Drohobycz wurde nach dem Krieg zerstört und musste einer Neubausiedlung Platz machen.
[Bearbeiten] Das literarische Werk
Bruno Schulz verfasste autobiographisch inspirierte Erzählungen, die er nach eigenen Angaben in eine "mythologische" Dimension überführen wollte. Die Erzählungen kreisen zu einem großen Teil um die sich in eine Welt des Geistes flüchtende Figur Jakub, angelehnt an den Vater Jakub Schulz, und dessen antagonistisch und erotisch getönte Interaktionen mit Adela, der lebenspraktisch orientierten Haushälterin. Die Erzählerperspektive wird Jakubs Sohn Józef zugeordnet, der in einer eigenartigen Mischung aus kindlich-intensiver Wahrnehmung (Sensitivität für Farben, Stimmungen, Suche nach geheimem Sinn) und anspruchsvollem reflexiven Niveau (hohe Frequenz von Fremdwörtern, eingebundene Theoriefragmente) nicht eindeutig als "Kind" oder "Erwachsener" bezeichnet werden kann.
Bruno Schulz debütierte im Jahre 1933 in der Zeitung Wiadomości Literackie (dt. Literarische Nachrichten) mit der Erzählung Ptaki (dt. Vögel); kurz darauf erschien im Warschauer Verlag Rój sein erster Band mit Erzählungen Sklepy Cynamonowe (dt. Die Zimtläden). 1936 erschien im selben Verlag der zweite Band Sanatorium pod Klepsydrą (dt. Das Sanatorium zur Todesanzeige).
Stilistisch wurden Schulz´ Erzählungen schon in der zeitgenössischen Rezeption als "kompliziert" beschrieben, zum Teil wegen fehlender Eindeutigkeit auch politisch kritisiert. Von "linken" Kritikern wurde Schulz seine Verliebtheit in das Formale, bzw. in die Dimension der Zeitlichkeit vorgeworfen, von einigen "rechten" Kritikern wurde sein Werk als "jüdisch" und "entartet" abgelehnt. Der Metaphernreichtum, die extensiven, z.T. symbolistisch angehauchten Beschreibungen und die ironisch gebrochenen Ausflüge in das Genre der Phantastik machen seine Erzählungen, trotz ihrer historischen Aufgeladenheit, tatsächlich teilweise hermetisch.
Typisch sind die vom polnisch-jüdischen Literaturkritiker Artur Sandauer im Vorwort der polnischen Nachkriegsausgabe benannten Raster von Dualismen. Sandauer ordnet diese Dualismen in eine von Schulz aufgerufene grundlegende antagonistische Beziehung zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert ein:
- Vaterfigur – Mutterfigur
- Vergangenheit – Gegenwart
- Provinz – Industriestadt
- Tradition – Fortschritt
- Kindheit – Erwachsenenalter
- Unschuld – Sünde
- Mann – Frau
- Seele – Körper
- Geist – Materie
- Traum – Wirklichkeit
- Original – Kitsch
Von hier aus ist es nicht weit zu einer Einschätzung, wonach die Erzählungen von Bruno Schulz eine Kulturkritik (z.B. im Sinne Spenglers) enthalten, ein Interpretationsstrang, der in der polnischen Rezeption in den siebziger bis achtziger Jahren oftmals vertreten wurde.
Andere Versuche der Interpretation bemühen sich stärker um eine epochen- oder genregeschichtliche Einordnung und diskutieren Schulz´ Verhältnis zu Symbolismus, Expressionismus oder Surrealismus. Ein dritter Rezeptionsstrang ist der autobiographisch-rekonstruierende, der besonders aus der Schule Jerzy Ficowskis stammt. Ein weiterer Ansatz versucht, Bruno Schulz´ Werk in die jüdische Tradition, insbesondere in Strömungen eines häretischen Messianismus einzuordnen (Władysław Panas).
[Bearbeiten] Verfilmungen
Der polnische Regisseur Wojciech Has verfilmte 1973 das Sanatorium zur Todesanzeige IMDb, 1986 erschien eine 20-minütige Adaption der kanadischen Brüder Stephen und Timothy Quay unter dem Titel Street of Crocodiles IMDb.
[Bearbeiten] Werke
- Die Zimtläden, Neuübersetzung von Doreen Daume, München: Hanser, 2008; ISBN 3-446-23003-3
- Das Graphische Werk, hg. von Wojciech Chmurzynski, München: Dt. Taschenbuchverlag, 2000, ISBN 3-423-12823-2
- Gesammelte Werke, München: Hanser, 1992:
- 1. Die Zimtläden und alle anderen Erzählungen, dt. von Josef Hahn; ISBN 3-446-17055-3
- 2. Die Wirklichkeit ist Schatten des Wortes. Aufsätze und Briefe, dt. von Mikolaj Dutsch und Josef Hahn; ISBN 3-446-17056-1
- Das Götzenbuch, Warschau: Verlag Interpress, 1988, ISBN 83-223-2420-0
- Die Republik der Träume (Fragmente, Aufsätze, Briefe, Grafiken) Hrsg. von Mikołaj Dutsch, dt. von Josef Hahn u. Mikołaj Dutsch, München: Hanser, 1967
- Die Zimtläden, dt. v. Josef Hahn; Nachwort v. Andrzej Wirth; München: Hanser, 1961
[Bearbeiten] Literatur
- Włodzimierz Bolecki, Jerzy Jarzębski, Stanisław Rosiek (Hrsg.): Słownik schulzowski, Gdańsk: słowo/obraz terytoria, 2003, ISBN 83-89405-80-6
- Jerzy Ficowski: Regions of great heresy. Bruno Schulz, a biography portrait, New York: Norton, 2003, ISBN 0-393-05147-1
- Bruno Schulz: 1892 - 1942; ein Künstlerleben in Galizien; übersetzt und für die deutsche Ausgabe bearbeitet von Friedrich Griese, München: Hanser, 2008; ISBN 3-446-23014-9
- Lukasz Kossowski (Hrsg.): Bruno Schulz, das Wort und das Bild. Ausstellungskatalog, Warschau: Deutsches Poleninstitut, 2003; ISBN 83-89378-03-5
- Czeslaw Z. Prokopczyk (Hrsg.): Bruno Schulz. New dokuments and interpretations, New York: Lang, 1999; ISBN 0-8204-3367-5
- Ugo Riccarelli: Ein Mann, der vielleicht Schulz hieß, München: C.H. Beck, 1999; ISBN 3-406-45289-2 (Bruno Schulz-Roman)
- Jörg Schulte: Eine Poetik der Offenbarung. Isaak Babel, Bruno Schulz, Danilo Kis, Wiesbaden: Harrassowitz, 2005; ISBN 3-447-04846-8
[Bearbeiten] Weblinks
-
Wikiquote: Bruno Schulz – Zitate
- Literatur von und über Bruno Schulz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ausführliche Biographie auf culture.pl
- New York Times, 22. 7. 1998 (englisch)
- www.brunoschulz.org Webkollektion zu Werken, Kritiken, Veranstaltungen
- Die drei Musketiere in der toten Klasse – Gombrowicz, Schulz, Witkacy, Kantor von Alexander Emanuely, Context XXI, 4-5/2004
- NZZ - Die Frauen im Leben des Schriftstellers Bruno Schulz
- Dokumentarfilm "Bilder finden" von Benjamin Geissler
- BILDER FINDEN - eine poetische Laudatio von Christian Geissler
- Zeit - Märchenbilder für den Mörder von Jurko Prohaska
- WOZ - Fundstücke aus Drohobycz
- FAZ - Rezension "Die Zimtläden"
- Welt - Rezension "Die Zimtläden"
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ vgl. Doreen Daume: "Eine Brücke ins Ausland". Nachwort zu Die Zimtläden, München: Hanser, 2008. S. 213
Personendaten | |
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NAME | Schulz, Bruno |
KURZBESCHREIBUNG | polnischer Schriftsteller, Literaturkritiker, Graphiker und Zeichner |
GEBURTSDATUM | 12. Juli 1892 |
GEBURTSORT | Drohobycz, Ukraine |
STERBEDATUM | 19. November 1942 |
STERBEORT | Drohobycz, Ukraine |