Berthold Beitz
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Berthold Beitz (* 26. September 1913 in Zemmin) ist ein einflussreicher deutscher Unternehmer in der Montanindustrie des Ruhrgebiets.
Während des Zweiten Weltkriegs rettete er im von Deutschen besetzten Galizien mehreren Hundert jüdischer Zwangsarbeiter das Leben, indem er sie als unentbehrlich für die Industrie einstufte und in den von ihm verwalteten Fabriken beschäftigte. Nach Kriegsende lernte er Alfried Krupp kennen und wurde sein Generalbevollmächtigter. Gemeinsam mit ihm baute er den Krupp-Konzern wieder auf und wandelte nach dem Tod von Alfried Krupp das Kruppsche Familienvermögen in eine Stiftung um. Als Vorsitzender des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung hat Beitz während des Niedergangs der Montanindustrie in mehr als drei Jahrzehnten den Strukturwandel im Ruhrgebiet wesentlich mitbestimmt und den Umbau zu einer europaweit führenden, modernen Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturregion mitbetrieben.
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[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] Herkunft und Ausbildung
Berthold Beitz kam 1913 in Zemmin, einem Ortsteil der Gemeinde Bentzin im Landkreis Demmin in Vorpommern als Sohn von Erdmann und Erna Beitz (geb. Stuth) zur Welt. Der Vater war während des Ersten Weltkriegs als Ulanen-Wachtmeister eingesetzt und erhielt nach dem Militärdienst in Greifswald eine Anstellung als Bankbeamter.
Berthold war in diesen Jahren ein begeisterter Sportler, der sich vor allem dem Segeln und Rudern widmete. Nach dem 1934 in Greifswald erfolgreich abgelegten Abitur absolvierte er im nahen Stralsund eine zweijährige Lehre zum Bankkaufmann. Im Anschluss daran wurde er binnen eines Jahres zum stellvertretenden Filialleiter bei der Pommerschen Bank in Demmin befördert.
[Bearbeiten] Die ersten Kriegsjahre
Im April 1939 wechselte Beitz als kaufmännischer Angestellter zur Mineralölfirma Royal Dutch Shell in Hamburg, für die er während des gesamten Krieges tätig war. Nach Beginn des Polenfeldzugs ging er zu einem Tochterunternehmen der Shell, der Beskiden-Erdöl-Gewinnungs-GmbH, die die ostgalizischen Erdölfelder im neu gebildeten Generalgouvernement ausbeuten sollte. Ende 1939 wurde er in die südpolnischen Kleinstadt Jasło, 1940 als Leiter der Buchhaltung in das benachbarte Krosno versetzt.
[Bearbeiten] Die Zeit in Boryslaw
Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion wurde Berthold Beitz im Juli 1941 zum kaufmännischen Leiter der Karpathen-Öl AG in Boryslaw berufen, die den jetzt ebenfalls besetzten, ehemaligen sowjetischen Teil des Erdölreviers ausbeutete. Schätzungen zufolge waren vor der Besetzung Polens etwa 10% der Bevölkerung jüdisch und in Galizien, dem Zentrum des jüdischen Siedlungsgebietes in Europa, lag der Anteil bei bis zu 40%. Sie lebten im Schtetl in oft einfachen Verhältnissen und verdienten ihren Lebensunterhalt als Kaufleute, Handwerker und vor allem auch als Arbeiter in der Ölindustrie. Zwischen 1941 und 1944 bewahrte er viele Juden vor den Vernichtungslagern, indem er sie als unabkömmlich für die Produktion seines kriegswichtigen Unternehmens reklamierte. Bei der Übernahme der Erdölförderung durch die deutsche Betriebsleitung wurden die jüdischen Beschäftigten, die ein Fünftel der Belegschaft stellten, zunächst weiterbeschäftigt, obwohl die Weisung der Reichsregierung anderslautend war.
Wegen des Mangels an Fachleuten in der deutschen Mineralölwirtschaft wurde Beitz von der Wehrmacht die Unabkömmlichstellung zugebilligt, und so wurde die Einberufung zum Wehrdienst immer wieder zurückgestellt. Schließlich wurde er im März 1944 doch noch eingezogen und musste der kämpfenden Truppe beitreten. Sein höchster Dienstgrad war Feldwebel, zudem war Beitz Offiziersanwärter in Reserve, da er bis 1938 auf Drängen des Vaters an einigen freiwilligen Wehrübungen teilgenommen hatte. Berthold Beitz erlebte das Kriegsende als Soldat.
Viele der bis zu diesem Zeitpunkt von Beitz beschützten Juden flohen daraufhin in die umliegenden Wälder und konnten auf diese Weise die Zeit bis zum Kriegsende in Galizien überleben. Das Zwangsarbeitslager der Karpathen-Öl wurde am 22. Juli 1944 im Angesicht der näherrückenden sowjetischen Truppen aufgelöst [1] und die noch verbliebenen Häftlinge wurden in die KZ Auschwitz und Mauthausen deportiert. Obwohl Beitz vorgeworfen wurde, er hätte nur arbeitsfähige Juden vor dem sicheren Tod gerettet, um die Rohölförderung aufrechtzuerhalten, ist diese Betrachtung umstritten und wird von der Yad-Vashem-Kommission für Gerechte unter den Völkern nicht geteilt [2].
[Bearbeiten] Nach Kriegsende
Auch aufgrund seiner Charakterstärke während des Weltkrieges wurde er 1946, nach der Flucht aus der Kriegsgefangenschaft, durch die amerikanische Besatzung zum Vizepräsident des Zonenamtes des Reichsaufsichtsamtes für das Versicherungswesen in Hamburg ernannt. Von 1949 bis 1953 war er Generaldirektor der Versicherungsgesellschaft Iduna-Germania in Hamburg. In dieser Eigenschaft traf er 1953 Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der ihn für die Position des Generalbevollmächtigten in den Krupp-Konzern warb.
[Bearbeiten] Krupp-Konzern
Alfried Krupp hatte das Erbe seines Vaters Gustav Krupp von Bohlen und Halbach 1943 angetreten. Der Krupp-Konzern war zu diesem Zeitpunkt ein reiner Rüstungsbetrieb. Alfried Krupp war unmittelbar nach dem Krieg von US-Truppen verhaftet und interniert worden. Drei Jahre später wurde er von den Alliierten als Kriegsverbrecher schuldig gesprochen. Neben der Beschlagnahmung seines Vermögens wurde er zu 12 Jahren Haft auf der Festung Landsberg verurteilt. Auf der Grundlage eines Gutachtens amerikanischer Sachverständiger wurde Alfried Krupp am 31. Januar 1951 begnadigt. Aufgrund des 1953 geschlossenen „Mehlemer Vertrages“ wurde ihm sein gesamtes Vermögen unter der Auflage einer strikten Entflechtung zurückgegeben. Im März 1953 konnte Krupp von Bohlen und Halbach wieder die Leitung des Unternehmens übernehmen, dessen Essener Produktionsstätten zu diesem Zeitpunkt größtenteils zerstört oder demontiert waren.
Ende des gleichen Jahres holte er Berthold Beitz als Generalbevollmächtigten in den Konzern.
Ab 1970 war Beitz Aufsichtsratsvorsitzender im Krupp-Konzern, seit 1990 Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates. Diesen Status hat er seit 1999 auch in der heutigen ThyssenKrupp AG.
[Bearbeiten] Krupp-Stiftung
Mit der Überführung des Kruppschen Privatvermögens in eine Stiftung und nach dem kurz darauf folgenden Tod von Alfried Krupp wurde Beitz 1968 Testamentsvollstrecker und Sachwalter des Kruppschen Vermögens. Als Vorsitzender des Kuratoriums der gemeinnützigen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung übt er dies noch heute aus.
[Bearbeiten] Gemeinnütziges und soziales Engagement
Beitz ist seit 1972 bis heute Mitglied im Nationalen Olympischen Komitee, war von 1972 bis 1988 auch Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und zwischen 1984 und 1988 dessen Vizepräsident. Seit 1988 ist er Ehrenmitglied des IOC.
Seit den 1970er Jahren ist er für sein Engagement insbesondere im kulturellen und sportlichen Austausch mit der Sowjetunion bzw. Russland bekannt. Er gehörte daher regelmäßig zum Beraterstab der Bundesregierungen seit Willy Brandt für die Ost-Aussöhnung mit Polen und der Sowjetunion/Russland.
Der Ruhr-Universität Bochum übergab Beitz nach dem Tode Alfried Krupps den bedeutenden Bücherbestand der Bibliothek der Villa Hügel, die den Grundstock der Universitätsbibliothek bildete. Als Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung hat er außerdem zahlreiche Forschungsprojekte an der Ruhr-Universität Bochum und der Akademie der Naturforscher (Leopoldina) gefördert.
Beitz sorgte dafür, dass die Villa Hügel mit der einzigartigen Architektur, ihren Kunstschätzen und der zugehörigen Parklandschaft für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Die Gründung der Kulturstiftung Ruhr, die ihren Sitz in der Villa Hügel hat, geht ebenfalls auf ihn zurück.
[Bearbeiten] Privatleben
Berthold Beitz ist seit 1939 mit seiner Frau Else verheiratet. Die beiden haben drei Kinder und sieben Enkel.
[Bearbeiten] Würdigung und Charakter
„Von Haus aus ein nüchterner Pommer“ [3] hat sich Beitz nach vielen Jahrzehnten, die er in Essen lebt, das besondere Naturell eines Menschen des Ruhrgebiets angeeignet. „Ich habe die Aufgabe, den letzten Willen von Alfried Krupp zu erfüllen, und das wird auch mein weiteres Leben bestimmen“, sagte Beitz nach dem Tode Krupps 1967 [4]. Berthold Beitz fühlt sich so eng mit „der Familie“, wie die Verwandten der Krupps sich nennen, verbunden, dass er auch heute noch jeden Tag auf der Villa Hügel in Essen „nach dem Rechten sieht“.
Seit den Anfängen der gemeinsamen Arbeit von Alfried Krupp und Berthold Beitz herrscht Uneinigkeit darüber, welchem Kopf der außergewöhnliche Aufstieg des Konzerns in den Jahren ab 1955 zuzurechnen ist.
[Bearbeiten] Auszeichnungen und Ehrungen
- 1971 - Bundesverdienstkreuz für sein Engagement in den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit den Ostblockländern
- 1973 - Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem für die Hilfe, die er verfolgten Juden in der Nazi-Zeit zukommen ließ
- 1983 - Ehrendoktorwürde der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
- 1991 - Ehrensenator der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
- 1993 - Ehrendoktorwürde der Jagiellonen-Universität in Krakau [5]
- 1999 - Ehrendoktorwürde der Ruhr-Universität Bochum aufgrund seines „Wirkens für Wissenschaft und Bildung im Ruhrgebiet“ [6]
- 1999 - Leo-Baeck-Preis
- 2000 - Leibniz-Medaille der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
- 2003 - Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Kiel
- 2005 - Ernennung zum Ehrenbürger der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen des Festaktes zum 40. Geburtstag der Uni [7]
- 2007 - Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Essen (einzige Verleihung seit 1949) [8]
- 2008 - Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports
Am naturwissenschaftlichen Campus der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald ist der Berthold-Beitz-Platz nach dem Vorsitzenden der Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung, welche Universität und Stadt seit Jahren fördert, benannt.
[Bearbeiten] Literatur
- Diana Maria Friz: Alfried Krupp und Berthold Beitz; Der Erbe und sein Statthalter - Verlag Orell Füssli 1988 - ISBN 3280018528
- Bernd Schmalhausen: Berthold Beitz im Dritten Reich - Verlag Peter Pomp 1991 - ISBN 3893550666
- Thomas Sandkühler: „Endlösung“ in Galizien : der Judenmord in Ostpolen und die Rettungsinitiativen von Berthold Beitz 1941 - 1944 - Dietz 1996 - ISBN 3801250229
- Lothar Gall (Hrsg.): Krupp im 20. Jahrhundert - Siedler Verlag 2002 - ISBN 3886807428
[Bearbeiten] Referenzen
- ↑ Arbeitslager im besetzten Polen - Distrikt Galizien
- ↑ http://www1.yadvashem.org/righteous/bycountry/germany/beitz_berthold.html Yad Vashem The Holocaust Martyrs' and Heroes' Remembrance Authority]
- ↑ http://www.kiel.de/Aemter_01_bis_20/05/Ehrenbuerger/Beitz/BeitzDankesworte.pdf
- ↑ http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/1/beitz_berthold/index.jhtml
- ↑ Kulturforum östliches Europa
- ↑ Uni-Protokoll der RUB
- ↑ RUB-aktuell
- ↑ http://www.essen.de/module/meldungen/m_detail.asp?MNR=9811
[Bearbeiten] Weblinks
- Reportage über Beitz und seine Rettungsaktionen im FOCUS
- Interview mit Beitz in der Süddeutschen Zeitung (02.02.2008)
- Foto: Berthold Beitz 90. Geburtstag
- Literatur von und über Berthold Beitz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Die Kruppstiftung, deren Kuratoriumsvorsitzender Beitz ist
- Laudatio zum 90. Geburtstag; gehalten von Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt
- Liebling der Götter - Bericht in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21. September 2003
- Bericht des WDR zum 90. Geburtstag
Personendaten | |
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NAME | Beitz, Berthold |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Unternehmer |
GEBURTSDATUM | 26. September 1913 |
GEBURTSORT | Demmin (Vorpommern) |