Rudolf Kirchschläger
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Rudolf Kirchschläger (* 20. März 1915 in Niederkappel, Oberösterreich; † 30. März 2000 in Wien) war ein österreichischer Richter, Diplomat, parteiloser Politiker und von 1974 bis 1986 Bundespräsident.
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[Bearbeiten] Ausbildung und Karriere
Kirchschläger wurde mit 11 Jahren Waise und absolvierte das Bundesaufbaugymnasium Horn (Matura mit Auszeichnung; Sehr gut in allen Fächern), wo er der Mittelschul-Verbindung Waldmark im MKV angehörte. Er wurde bereits im Herbst 1939 zur Wehrmacht eingezogen und war in der Frühphase des 2. Weltkrieges als Soldat an der Front.
Legendär ist die Art, in der er das Studium der Rechtswissenschaften Ende 1940 in Wien abschloss. Bereits nach der Matura 1935 hatte Kirchschläger in Wien mit dem Studium begonnen, das er nur mit Hilfe eines Stipendiums und diverser Nebenjobs finanzieren konnte. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland musste er als Nicht-NSDAP-Mitglied das Studium abbrechen. Während eines nur zweimonatigen Fronturlaubs bereitete er sich 1940 auf das Staatsexamen vor, in der Hoffnung, im weiteren Kriegsverlauf nicht mehr als Soldat eingesetzt zu werden. - Nach eigenen Aussagen ernährte er sich in dieser Zeit großteils von Honig, lernte bis zu 20 Stunden täglich und tauchte seine Füße in Essigwasser um wach zu bleiben. Der Erfolg blieb nicht aus: in einem der Rigorosen erhielt er sogar eine Auszeichnung.
Gegen Kriegsende war Kirchschläger als Hauptmann Lehroffizier an der damaligen Kriegsschule (heute wieder: Theresianische Militärakademie) in Wiener Neustadt. Als Kommandant führte er am 1. April 1945 eine gegen die sowjetischen Truppen ausgerückte Fahnenjunker-Einheit. Die Zeitschrift Profil vom 21. April 2005 berichtet, dass dabei innerhalb weniger Stunden 200 Kadetten getötet und mehrere hundert verwundet wurden; er selbst erlitt dabei eine schwere Beinverletzung.
Kirchschläger heiratete 1940, mit seiner Frau Herma hatte er 1944 und 1947 zwei Kinder (Tochter Christa und Sohn Walter Kirchschläger, der Gründungsrektor der Universität Luzern war).
1947 bis 1954 war er Richter in Langenlois und Wien, ab 1954 Rechtsexperte im Außenministerium.
Kirchschläger war wesentlich an den Vorarbeiten und dem Zustandekommen von Staatsvertrag und Neutralitätsgesetz beteiligt.
Von 1967 bis 1970 war er Botschafter in Prag. In seine Amtszeit fiel der "Prager Frühling", während dessen er sich über die Weisungen seines Vorgesetzten, des Außenministers Kurt Waldheim, hinwegsetzte und an alle Ausreisewilligen Visa erteilte.
1970 wurde er von Bruno Kreisky als Parteiloser zum Außenminister der SPÖ-Alleinregierung bestellt.
[Bearbeiten] Bundespräsidentschaft
[Bearbeiten] Wahl 1974
1974 mehrten sich nach dem Tod von Bundespräsident Franz Jonas bei der SPÖ zunächst die Stimmen, der populäre Bundeskanzler Bruno Kreisky solle selbst für dieses Amt kandidieren. Kreisky lehnte jedoch ab, weil ihm die Kompetenzen des Bundespräsidenten nicht ausgedehnt genug erschienen. Da die SPÖ bei früheren Bundespräsidentenwahlen immer mit dem Argument des Machtausgleichs mit der ÖVP argumentiert hatte (unter dem Stichwort "roter Präsident - schwarzer Kanzler"), kam diesmal bei der nunmehr ja selbst den Kanzler stellenden SPÖ schon aus wahltaktischen Gründen nur ein Nicht-SPÖ-Parteimitglied in Frage. Hiefür wurde damals der parteilose, praktizierende Katholik Kirchschläger als idealer Kandidat angesehen.
Dass Kirchschläger in der Wahl gegen den von der ÖVP unterstützten Innsbrucker Bürgermeister Alois Lugger mit 51,7 % obsiegte, hatte seinen Grund allerdings nicht nur in der allseits anerkannten Persönlichkeit des Außenministers, sondern auch in der Uneinigkeit der ÖVP: Lugger selbst war in der ÖVP erst nach einem parteiinternen Putsch in letzter Minute gegen den von der Parteiführung bereits als Kandidat aufgestellten ehemaligen Generalsekretär Hermann Withalm installiert worden.
[Bearbeiten] Amtsausübung
Kirchschläger war ein - auch in seiner persönlichen Bescheidenheit - unumstrittenes Staatsoberhaupt mit großer Autorität, was seither keinem seiner Nachfolger mehr gelang. In Österreich zu einem geflügelten Wort wurde sein Ausspruch über das …Trockenlegen der Sümpfe und sauren Wiesen… (gesprochen bei der Eröffnung der Welser Messe im August 1980 anlässlich des AKH-Skandals), ein Vergleich, der vor der Popularisierung des Umweltbewusstseins noch weithin als passend empfunden wurde.
[Bearbeiten] Wahl 1980
Aufgrund seiner enormen Popularität gestaltete sich seine Wiederwahl 1980 zum Triumph: Kirchschläger wurde als nunmehr gemeinsamer Kandidat von SPÖ und ÖVP mit dem bis heute unerreichten Rekordergebnis von 79,9% der Stimmen gegen den von der FPÖ unterstützten Diplomaten Willfried Gredler sowie den Rechtsextremisten Norbert Burger wiedergewählt.
[Bearbeiten] Literatur
- Rudolf Kirchschläger: Der Friede beginnt im eigenen Haus. Gedanken über Österreich. Molden, 1980. ISBN 3-217-01070-1
- Alois Mock, Herbert Schambeck (Hrsg.): Verantwortung in unserer Zeit. Festschrift für Rudolf Kirchschläger. Österreichische Staatsdruckerei, 1990.
- Josef Pühringer (Hrsg.): Immer den Menschen zugewandt. Verlag Österreich, 2000. ISBN 3-7046-1495-5
- Borys Jaminskyj (Autor), Karl Schleinzer (Herausgeber), Bruno Kreisky (Herausgeber), Hannes Androsch (Herausgeber), Rudolf Sallinger (Herausgeber), Friedrich Peter (Herausgeber), Anton Benya (Herausgeber): Der Weg in die Hofburg - Dr. Rudolf Kirchschläger. Astor, Wien (1975). ISBN 3900277001
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Rudolf Kirchschläger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag über Rudolf Kirchschläger im Österreich-Lexikon von aeiou
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Personendaten | |
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NAME | Kirchschläger, Rudolf |
KURZBESCHREIBUNG | Diplomat, Politiker, österreichischer Bundespräsident |
GEBURTSDATUM | 20. März 1915 |
GEBURTSORT | Niederkappel, Oberösterreich |
STERBEDATUM | 30. März 2000 |
STERBEORT | Wien |