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Albert Drach – Wikipedia

Albert Drach

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Albert Drach (* 17. Dezember 1902 in Wien; † 27. März 1995 in Mödling) war ein österreichischer Schriftsteller und Jurist.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Leben

[Bearbeiten] Familie und frühe Jahre

Albert Drach stammte väterlicherseits von sephardischen Großbauern aus der Bukowina ab. Sein Vater Wilhelm Drach (1859-1935) hatte Mathematik und Philosophie in Czernowitz und in Wien studiert. Er blieb in Wien, arbeitete zunächst als Gymnasialprofessor, wechselte aber später ins Bankfach und wurde bei der Länderbank Vorstandsmitglied. Mit seiner ersten Frau, der Katholikin Amalie Pyrker, hatte er eine Tochter Alma (1895-1961), die katholisch erzogen wurde. Nach dem Tod seiner Gattin heiratete Wilhelm Drach Jenny Pater (1875-1939), die aus einer Wiener aschkenasischen gutbürgerlichen Kaufmannsfamilie stammte. Ihr gemeinsamer Sohn Albert wurde jüdisch erzogen, auch wenn die Familie nicht sehr religiös war, der Vater mehr deutschnational.

Albert Drach wuchs in Wien auf und besuchte von 1913 bis 1921 das Akademische Gymnasium. Sehr früh beschloss er, Schriftsteller zu werden. 1917 erschienen Gedichte im Wiener Journal, sein Vater finanzierte den Druck des Gedichtbandes "Kinder der Träume" (1919).

1917 kaufte der Vater den Marienhof in Mödling und die Familie zog dorthin, während Albert in Wien blieb. Er freundete sich mit Anton Wildgans an, der seine literarischen Ambitionen unterstützte. Nach der Reifeprüfung studierte Drach Rechtswissenschaften und promovierte im Februar 1926. Eines seiner bis dahin entstandenen, aber unveröffentlichten Dramen, "Satansspiel vom göttlichen Marquis", reichte er für den Kleist-Preis 1928 ein. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit führte Drach ein Anwaltsbüro in Mödling, er wurde jedoch von seinem Vater finanziell unterstützt. Als der Vater 1935 starb, musste er von seiner Anwaltstätigkeit leben.

Nach dem Anschluss Österreichs und dem Berufsverbot für jüdische Anwälte am 15. März 1938 wollte Drach zunächst nicht emigrieren. Er wehrte sich sogar mit rechtlichen Mitteln gegen den kommissarischen Verwalter seines Hauses. Da er in Mödling Repressalien ausgesetzt war – allgemein antijüdischen als auch von früheren Prozessgegnern – zog er nach Wien. Von seiner Schwester Alma, seit 1918 mit dem polnischen Industriellen Alexander Gartenberg verheiratet, gedrängt, verließ er am 25. Oktober Wien in Richtung Jugoslawien. Seine Mutter blieb in Mödling zurück.

[Bearbeiten] Emigration

Nach einem Monat Aufenthalt in Split fuhr Drach nach Paris. Hier wurde er von seinem Onkel Rodolphe Lebel und finanziell von seiner Schwester unterstützt. Auf behördliche Anordnung musste er ab 26. Februar 1939 seinen Aufenthalt in Nizza nehmen, wo er bis zur Kriegserklärung am 3. September relativ unbeschwert lebte. Hier entstand auch eine erste Version des später so benannten Großen Protokoll gegen Zwetschkenbaum. Er verkehrte nicht in den literarischen Emigrantenkreisen. Zu seinen Freunden und Bekannten zählte der Sänger Joseph Schmidt. Nach Kriegsausbruch musste Drach, wie alle erwachsenen männlichen Deutschen, in ein Internierungslager, in seinem Fall das Sportstadion in Antibes, nun Centre de rassemblement Fort-Carré. Nach wenigen Tagen entlassen, kehrte er nach Nizza zurück. Im Oktober wurde er wieder interniert, diesmal in Les Milles nahe Aix-en-Provence, wurde jedoch krankheitshalber wiederum bald entlassen. Wieder in Nizza, traf er seine Schwester, die mit ihrem Mann aus Polen geflohen war und auf dem Weg in die Emigration war. Am 28. Oktober starb seine Mutter in Wien nach einer Gallenoperation.

Im Mai 1940 wurde Drach abermals interniert, wieder in Les Milles. Hier traf er unter anderen Walter Hasenclever. Das Lager sollte später von den ebenfalls Internierten Lion Feuchtwanger, Alfred Kantorowicz und dem Psychoanalytiker Fritz Wengraf geschildert werden. Drach schilderte seine Erlebnisse später in "Unsentimentale Reise". Während des Zusammenbruchs Frankreichs wurde das Lager geräumt, Drach wurde in einem Zug über Bayonne an der Atlantikküste nach Nîmes gebracht, wo er ins Camp Saint-Nicolas gebracht wurde. Aus diesem Lager floh Drach und lebte bis September 1942 ohne französische Papiere in Nizza. Nach Inkrafttreten der Judenstatute wurde Drach am 8. September 1942 verhaftet und in das Sammellager Rives Altes gebracht. Hier gelang es Drach jedoch, sich als "Arier" auszugeben, u. a. da er die Abkürzung "IKG" hinter seinem Geburtsdatum (für "Israelitische Kultusgemeinde") auf seinem Heimatschein als "in katholischem Glauben" übersetzen ließ. Mit Dokumenten seiner Schwester gab er auch deren katholische Mutter als seine eigene aus. Dadurch war er nach französischem Gesetz kein Jude und wurde entlassen. Er lebte wieder in Nizza, bis im September 1943 deutsche Truppen die Stadt besetzten.

Drach versteckte sich im Ort Valdeblore, einem kleinen Ort in den Meeralpen nahe der italienischen Grenze. Dank der Hilfe seitens der Gemeinde überlebte er bis zur Ankunft der US-Amerikaner. Danach arbeitete er in Nizza als Übersetzer für das amerikanische Militär. Er betrieb auch seine Einbürgerung in Frankreich. Im Oktober 1947 besuchte er erstmals wieder Wien und Mödling.

[Bearbeiten] Wieder in Österreich

Er begann in Wien wieder als Rechtsanwalt zu arbeiten. Der juristische Kampf um das Haus in Mödling sollte bis 1955 dauern. Mobiliar und Bibliothek blieben freilich verloren. Im Juni 1948 zog er nach Mödling und eröffnete im Oktober seine Anwaltskanzlei. Nebenbei hielt er Vorträge im Radio, publizieren konnte er jedoch nach wie vor nicht. Das Manuskript von Zwetschkenbaum wurde bis 1962 16-mal abgelehnt. 1951 lernte er seine spätere Frau Gerty Rauch kennen, 1952 kam Sohn Wilhelm zur Welt, kurz nach der Hochzeit 1954 Tochter Jenny.

Nachdem er beim Verlag Langen Müller seine "Kleinen Protokolle" eingereicht hatte, beschloss der Verlag, eine achtbändige Gesamtausgabe herauszubringen. Als erster Band erschien 1964 "Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum", das ein literarischer und buchhändlerischer Erfolg wurde. Der autobiographische Roman "Unsentimentale Reise" von 1966 wirkte auf die Kritik eher verstörend. Die Uraufführung von "Das Kasperlspiel vom Meister Siebentot" 1967 am Landestheater Darmstadt wurde ein Achtungserfolg. 1968 wechselte Drach zum Claassen-Verlag, der Roman "Z.Z." das ist die Zwischenzeit wurde jedoch ein Misserfolg, die weiteren Bände blieben unbeachtet. Drach arbeitete weiterhin als Anwalt in Mödling, bis er seine Anwaltskanzlei 1984 aufgrund weitgehender Erblindung schließen musste.

1987 wurde Drachs Werk von André Fischer wiederentdeckt und erfolgreich propagiert. Der Hanser Verlag veröffentlichte 1988 erneut die Unsentimentale Reise, die nun auf breite Resonanz stieß.

Albert Drach starb am 27. März 1995 im Alter von 92 Jahren in Mödling.

[Bearbeiten] Auszeichnungen und Ehrungen

[Bearbeiten] Künstlerisches Schaffen

[Bearbeiten] Protokollstil

Drachs bekannteste Werke sind in dem ihm eigenen Protokollstil abgefasst. Dieser leitet sich vom Stil behördlicher Protokolle ab mit ihrer Verwendung indirekter Rede, ihrer nüchternen bis ironischen Distanz. In der Frühzeit der Drach-Rezeption, in den 1960-er Jahren, wurde dies vielfach als schrulliger Kanzleistil etwa im Stile Herzmanovsky-Orlandos interpretiert (dessen Werke übrigens im gleichen Verlag erschienen). Der Protokollstil dient jedoch vielmehr dazu, die Distanz zu den Hauptfiguren zu vergrößern, die Identifikation des Lesers mit ihnen zu erschweren.

[Bearbeiten] Romane

Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum, geschrieben 1939, veröffentlicht erst 1964, gilt als Drachs bekanntestes Werk. Der Talmud-Schüler Schmul Leib Zwetschkenbaum wird des Diebstahls von Zwetschken bezichtigt und gerät in die Mühlen der Justiz. Zeitlich ist der Roman Ende der Habsburgermonarchie und in der Ersten Republik angesiedelt.

Untersuchung an Mädeln erzählt, wie zwei Vergewaltigungsopfer zu Mörderinnen ihres Vergewaltigers gestempelt werden (wobei letzterer eigentlich nur verschwunden ist). Der Roman wurde 1998 mit Anna Thalbach, Elke Winkens, Otto Sander und Max Tidof verfilmt (Regie: Peter Payer).

[Bearbeiten] Autobiographische Schriften

„Z.Z.“ das ist die Zwischenzeit. Ein Protokoll behandelt Drachs Erlebnisse zwischen dem Tod seines Vaters 1935 und dem seiner Mutter im November 1938. Dies ist jedoch auch die Zeit des österreichischen Ständestaats zwischen Demokratie und Drittem Reich. Die Figuren werden nicht mit Namen genannt, sondern heißen Vater, Mutter, Sohn usw. Die einzige Ausnahme ist Adolf Hitler. Der Sohn, d. h. Drach selbst, wird als nicht allzu sympathischer Frauenheld beschrieben.

Unsentimentale Reise. Ein Bericht ist nicht im Protokollstil abgefasst. Der Protagonist, Drachs Alter ego Pierre Kucku erzählt in der Ich-Form die Erlebnisse in der französischen Emigration. Die tatsächlichen Ereignisse sind oft stark literarisch überarbeitet.

Das Beileid schließt inhaltlich an Unsentimentale Reise an und schildert die erste Reise nach Wien, die wiederholte Rückkehr nach Nizza, die Zeit bis zur Heirat.

[Bearbeiten] Dramen

Drachs Dramen werden von der Forschung in die Nähe Jarrys und Pirandellos gestellt. Die Dramenfiguren werden nicht psychologisch gezeichnet, sondern treten als typologische Figuren auf.

Das Satansspiel vom göttlichen Marquis handelt von der Geschichte des Marquis de Sade während der Französischen Revolution.

Das Kasperlspiel vom Meister Siebentot ist ein Anti-Hitler-Stück, in dem die Figur des Kasperl das Böse verkörpert.

[Bearbeiten] Werke

[Bearbeiten] Erstausgaben

  • Kinder der Träume, Amalthea, Zürich/Leipzig/Wien 1919
  • Gesammelte Werke, Langen-Müller, München/Wien
    • Bd. 1. Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum, 1964
    • Bd. 2. Das Spiel vom Meister Siebentot und weitere Verkleidungen, 1965
    • Bd. 3. Die kleinen Protokolle und das Goggelbuch, 1965
    • Bd. 4. Das Aneinandervorbeispiel und die inneren Verkleidungen, 1966
    • Bd. 5. Unsentimentale Reise. Ein Bericht, 1966
    • Bd. 6. “Z.Z.“ das ist die Zwischenzeit, (Ab hier:) Claassen, Hamburg/Düsseldorf, 1968.
    • Bd. 7. Gottes Tod ein Unfall, 1972
    • Bd. 8. Untersuchung an Mädeln, 1971
  • In Sachen de Sade, Claassen, Düsseldorf 1974
  • Ia und Nein, Hanser, München/Wien 1992
  • Das Beileid. Nach Teilen eines Tagebuchs, Droschl, Graz/Wien 1993
  • Ironie vom Glück. Kleine Protokolle und Erzählungen, Hanser, München/Wien 1994
  • "O Catilina", Hanser, München/Wien 1995

[Bearbeiten] Werkausgabe

Albert Drach. Werke in zehn Bänden. Hrsg. v. Ingrid Cella, Bernhard Fetz, Wendelin Schmidt-Dengler u. Eva Schobel. Paul Zsolnay Verlag, 2002ff.

  • Bd. 1: Untersuchung an Mädeln. Hrsg. v. Ingrid Cella. 2002
  • Bd. 2: "Z.Z." das ist die Zwischenzeit. Ein Protokoll. Hrsg. u. mit einem Nachwort von Wendelin Schmidt-Dengler unter Mitarbeit von Eva Schobel. 2003
  • Bd. 3: Unsentimentale Reise. Ein Bericht. Hrsg. v. Bernhard Fetz u. Eva Schobel. 2005
  • Bd. 4: Das Beileid. Nach Teilen eines Tagebuchs. Hrsg. v. Bernhard Fetz u. Eva Schobel. 2006, ISBN 3-552-05266-6

[Bearbeiten] Literatur

  • Mary Cosgrove: Grotesque ambivalence. Melancholy and mourning in the prose work of Albert Drach. Tübingen: Niemeyer 2004. (= Conditio Judaica; 49) ISBN 3-484-65149-0
  • Albert Drach, hrsg. v. Gerhard Fuchs u. Günther A. Höfler. Graz u. a.: Droschl 1995. (= Dossier; 8) ISBN 3-85420-406-X
  • In Sachen Albert Drach. Sieben Beiträge zum Werk, hrsg. v. Bernhard Fetz. Wien: Universitätsverl. 1995. ISBN 3-85114-209-8
  • André Fischer: Inszenierte Naivität. Zur ästhetischen Simulation von Geschichte bei Günter Grass, Albert Drach und Walter Kempowski. München: Fink 1992. (= Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste; 85; Reihe C, N.F.; 9) ISBN 3-7705-2754-2
  • Anne Fuchs: A space of anxiety. Dislocation and abjection in modern German-Jewish literature. Amsterdam u.a.: Rodopi 1999. (= Amsterdamer Publikationen zur Sprache und Literatur; 138) ISBN 90-420-0797-4
  • Alexandra Millner: Spiegelwelten - Weltenspiegel. Zum Spiegelmotiv bei Elfriede Jelinek, Adolf Muschg, Thomas Bernhard, Albert Drach. Wien: Braumüller 2004. (= Wiener Arbeiten zur Literatur; 19) ISBN 3-7003-1484-1
  • Eva Schobel: Albert Drach. Ein wütender Weiser., Salzburg u.a.: Residenz 2002. ISBN 3-7017-1314-6
  • Matthias Settele: Der Protokollstil des Albert Drach. Recht, Gerechtigkeit, Sprache, Literatur. Frankfurt am Main: Lang 1992. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; 1343) ISBN 3-631-44911-9

[Bearbeiten] Weblinks


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